Ringen um ein eigenes Profil

EU-Kommission, EU-Parlament und fast alle Mitgliedsstaaten wollen eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrates abwarten

BRÜSSEL taz ■ Seit der ehemalige Nato-Generalsekretär Javier Solana die Eurpäische Union nach außen vertritt, sind Umrisse einer gemeinschaftlichen Außenpolitik erkennbar geworden. Mit seiner unermüdlichen Reisediplomatie hat es der spanische Hansdampf tatsächlich geschafft, Europa ein Gesicht zu geben. In der Irakfrage allerdings, die derzeit die Welt am meisten beschäftigt, ist Europas beredter Repräsentant auffallend wortkarg. Denn anders als auf dem Balkan und im Nahen Osten hat die EU am Golf keine gemeinsame Linie.

Am Samstag ging Solana in einem Gespräch mit der französischen Tageszeitung Le Monde auf vorsichtige Distanz zu den USA. „Ich glaube, wir haben ein etwas differenzierteres Bild von der Welt, weil unsere Geschichte vielschichtiger ist als die der Amerikaner.“ Gefragt, wie er zu einem Präventivschlag gegen Saddam Hussein stehe, betonte Solana, dass die EU Internationales Recht respektiere. „Das Potenzial (einer Bedrohung) rechtfertigt nicht den Krieg. Ohne Beweise wird es schwer sein, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Die Legitimität eines möglichen Krieges gibt der UN-Sicherheitsrat.“

Dass sich Solana bei solchen Fragen auf dünnem Eis bewegt, ist kein Wunder. Denn während die EU-Kommission, das EU-Parlament und fast alle Mitgliedsstaaten den Bericht der UN-Waffeninspektoren und eine dann folgende Entscheidung des UN-Sicherheitsrates abwarten wollen, schließt Amerikas Hauptverbündeter Großbritannien auch weiterhin einen Krieg ohne UNO-Mandat nicht aus (siehe Kasten).

EU-Außenkommissar Chris Patten warnte gestern in einem Guardian-Interview, die EU werde den Wiederaufbau des Irak wohl kaum finanzieren, wenn die USA ihn zuvor ohne UNO-Mandat zerbombt hätten. Sein Landsmann, Außenminister Jack Straw, konterte in der BBC, das britische Parlament habe im Dezember grünes Licht für eine Kriegsbeteiligung Großbritanniens gegeben – ohne zusätzliche UNO-Resolution. Dagegen betonte Frankreichs Staatschef Jacques Chirac mehrfach, man werde sich nur dann am Krieg beteiligen, wenn der UN-Sicherheitsrat eine akute Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen feststellt.

Griechenland als frisch gebackener Inhaber der Ratspräsidentschaft ringt in dieser Lage genauso verzweifelt um eigenes Profil wie Solana. Im Februar will der griechische Premier Costas Simitis in den Nahen Osten reisen, um die Haltung der arabischen Staaten auszuloten und dort für die EU-Position zu werben. Damit es bis dahin eine solche Position überhaupt gibt, hält Griechenland engen Kontakt zu den zwei ständigen EU-Mitgliedern im Sicherheitsrat, Frankreich und Großbritannien. Sie sind aber genauso schwer unter einen Hut zu bringen wie Spanien und Deutschland, die seit 1. Januar für zwei Jahre als nichtständige Mitglieder in dem Gremium vertreten sind.

Frustriert vom Rückfall der Europäer in nationalstaatliche Eigenbrötelei hat sich gestern der Präsident des Konvents zur EU-Reform zu Wort gemeldet. Der EU-Außenministerrat solle künftig einen auf mehrere Jahre gewählten Chef bekommen, einen europäischen Außenminister, forderte Valerie Giscard d’Estaing. Auch Konventsmitglied Elmar Brok, der den Auswärtigen Ausschuss im Europaparlament leitet, glaubt nicht, dass die EU ohne Strukturreformen eigenständiges außenpolitisches Profil finden wird.

Der Antagonismus zwischen Großbritannien und den übrigen EU-Mitgliedern werde bestehen bleiben, „solange es innerhalb der EU keine starke Struktur gibt, die zur Vereinheitlichung beiträgt“, sagte Brok. Ein EU-Außenminister allein löse das Problem nicht. Beraterstab, Diplomaten und Beamte aus Kommission und Rat müssten zusammengeführt werden – mit einem Übergewicht europäischer Beamter in der neuen Außenadministration. „Sollte nach der Reform eine Person die europäische Außenpolitik vertreten, die zwei Stäbe von Rat und Kommission aber beibehalten werden, würden die Apparate den neuen Außenminister im Zickzack vor sich her treiben“, prophezeit Brok.

Wenn morgen Hans Blix, der Chef der UN-Waffeninspektoren, nach Brüssel kommt, wird er nach seiner Unterredung mit Solana auch ein Gespräch mit Elmar Brok führen. Der konservative Abgeordnete will erreichen, dass eine Parlamentsdelegation gemeinsam mit den Waffeninspektoren den Irak bereisen kann. Erst wenn diese Delegation ihren Bericht abgeliefert hat, will das Europaparlament entscheiden, wie es sich zu einem Krieg im Irak stellt.

Sobald Hans Blix und seine Mitarbeiter ihren Abschlussbericht vorgelegt haben, will das Parlament sein Votum abgeben – noch vor einer zweiten UNO-Resolution. Dass George Bush sich an diesen in Straßburg und Brüssel ersonnenen Zeitplan hält, darf aber bezweifelt werden. DANIELA WEINGÄRTNER