Finnlands Waffengesetz in der Kritik

Das Motiv des Amokschützen von Kauhajoki soll Hass auf Menschheit gewesen sein. Nach dem Mord an elf Personen kündigt die Regierung jetzt eine Verschärfung des liberalen Waffengesetzes an – wie auch schon nach dem letzten Schulmassaker

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Nach dem Amoklauf in der Schule in Kauhajoki, der elf Menschenleben kostete, hat Finnland am Mittwoch einen nationalen Trauertag begangen. Die Flaggen wehten auf halbmast, die Kirchen waren geöffnet. Ministerpräsident Matti Vanhanen kündigte eine Revision des Waffenrechts an. Staatspräsidentin Tarja Halonen beklagte eine Entwicklung, die dazu geführt habe, dass das Land zum zweiten Mal binnen eines Jahres eine derartige Schießerei erlebt habe. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, warum die Polizei trotz deutlicher Verdachtsmomente den Täter einen Tag vor der Tat nach einem Verhör wieder freigelassen und seine Waffe nicht beschlagnahmt hatte.

Der Amokläufer, Matti Juhani Saari, stammt aus dem 300 Kilometer von Kauhajoki entfernten Ort Pyhäjärvi, in dem er das Gymnasium besuchte. Seine Familie wird als „Durchschnittsfamilie“ beschrieben. Der 22-Jährige absolvierte an der Berufsfachschule in Kauhajoki eine zweijährige Ausbildung im Restaurant- und Tourismussektor. Die von ihm erschossenen Schüler, acht weibliche und ein männlicher, gingen in seine Klasse.

Saari lebte im Wohnheim der Schule. MitbewohnerInnen beschreiben ihn als ruhig und unauffällig. Ein Lehrer spricht von einem „sympathischen und durchschnittlichen Schüler“. Auf einer Internetdatingseite suchte er nach einer Freundin: „16–25 Jahre alt“. Er beteiligte er sich an Chat- und Diskussionsforen, in denen die Schulmassaker in den USA und im finnischen Jokela debattiert wurden.

Auf seinem Rechner und in Notizen will die Polizei Hinweise gefunden haben, dass Saari eine mögliche Tat bereits seit 2002 geplant hat. Darin soll von Hass auf die Menschheit die Rede sein und der Satz „Die Lösung ist die Walther“ vorkommen. Saari hatte im August eine Waffenlizenz für eine Automatikpistole vom Typ Walther erhalten, mit der er die Tat verübte.

Der relativ einfache Zugang zu Waffen in Finnland, das nach den USA die höchste Waffendichte in der westlichen Welt hat, steht nun im Zentrum der öffentlichen Debatte. Regierungschef Vanhanen kündigte an, man wolle „binnen weniger Monate“ das Waffenrecht verschärfen. Das hatte er schon vor einem Jahr nach dem Massaker an der Schule von Jokela versprochen, wo ein 18-jähriger Abiturient ebenfalls mit einer lizenzierten Waffe acht Menschen getötet hatte. In Finnland kann jeder 15-Jährige eine Waffe kaufen, sofern er Mitglied in einem Schützenverein ist und dort eine einstündige Lektion über den Umgang mit einer Waffe absolviert hat.

Bei der Debatte, wie ähnliche Taten verhindert werden könnten, reichen die Vorschläge von verschärften Sicherheitskontrollen an allen Schulen bis zu einer intensiveren Kontrolle des Internets auf der Suche nach möglichen Hinweisen. Auf einigen finnischen Blogseiten gibt es mittlerweile ganze Listen finnischer YouTube-Profile mit ähnlichen Botschaften wie die der Schützen von Jokela und Kauhajoki.

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