friedensdemos
: Spät, vielleicht nicht zu spät

Der US-Präsident kommt zu einem ganz normalen Staatsbesuch nach Berlin, und tausende sind auf der Straße, bereiten sich wochen-, ja monatelang darauf vor: Schon vergessen? Die USA rüsten seit Wochen, ja Monaten für einen Krieg im Irak: Alles nur Drohkulisse? Wahrscheinlich nicht. Aber dennoch ist es ruhig auf den Straßen der Hauptstadt. Pennt die Friedensbewegung?

Kommentar von PHILIPP GESSLER

Nein, sie bereitet sich vor, wie die „Berliner Erklärung“ zeigt – und erstmals seit Monaten mehren sich Anzeichen, dass die Furcht vor einem Krieg in der Mehrheit der Bevölkerung langsam der Bereitschaft zum Protest weicht. Spät, aber vielleicht nicht zu spät.

Dass, wie schon beim Kuwait-Krieg, der Papst vor einem militärischen Konflikt warnt, dürfte die wenigsten aufgerüttelt haben. Wenn nun aber selbst in der CDU Stimmen gegen einen Waffengang am Golf laut werden, die Kirchen zu Friedensgebeten aufrufen und immer mehr Medien wie etwa der Spiegel klar wie nie auf Titelseiten schreiben, worum es geht („Blut für Öl“), ist die kritische Masse für einen Protest wohl erreicht.

Nur: Hilft das alles etwas? Lohnt die Mühe, mit Gleichgesinnten und Friedensparolen zum Brandenburger Tor zu laufen? Was juckt das die Bush-Regierung? Wahrscheinlich wenig, wenn nicht europa-, besser noch weltweit Ähnliches passiert, vor allem in den USA selbst. Dennoch sollte man es tun – schon aus dem Grund, den der Erziehungswissenschaftler Hartmut von Hentig gestern anbrachte: „Ich begehre nicht schuld daran zu sein.“ Mehr als friedlicher Protest, das hat die Friedensbewegung gelernt, sollte sie sich selbst nicht erlauben. Ihn zu üben aber ist ihre Pflicht. Trotz alledem.

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