herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ über Sportarten am Rande

Die Flecken nackter Fechterinnen

Einige Funktionäre so genannter Randsportarten suchen nach immer effekthaschenderen Möglichkeiten, um ihren Sport zuschauer- und sponsorenträchtiger zu verkaufen. Viele der herkömmlichen Wettkampfformen, dargeboten meist auf zugigen Sportplätzen oder in immer etwas zu streng nach Jungsumkleide müffelnden Turnhallen, bringen keine ausreichende Publikumsresonanz. Die aber wird für etliche Verbände immer notwendiger fürs finanzielle und möglicherweise sogar sportliche Überleben. Ständig bequengelt auch das IOC einige dieser exotischeren Disziplinäre, ihre Konkurrenzen doch bitteschön etwas fetziger und fernsehgeiler zu gestalten. Andernfalls taugten sie nicht länger für Olympia und würden wegen mangelnder TV-Attraktivität aus dem Spieleprogramm genommen.

Keineswegs von einem Olympia-Aus bedroht ist der Skilanglauf, und auch das Fecht- und Degenwesen wird wohl weiterhin im olympischen Programm vertreten sein. Trotzdem bemühen sich gerade diese beiden Sportarten sehr um neue Wettkampfformen. Mit Erfolg: Neulich kamen zu den Skiwettläufen am künstlich beschneiten Düsseldorfer Rheinufer und in der gleichfalls kunstschneegeloipten Schalker Arena über hunderttausend Zuschauer. Und auch die Fechter erfreuten sich eines für ihre Verhältnisse überaus regen Zuspruchs, als sie ihre deutschen Meisterschaften in einem Hamburger Kinosaal austrugen.

Popcorn mümmelnd statt am Turnhallen-Kiosk eine fettige Bockwurst aus ihrem zarten Saitling zutzelnd und lässig hingelümmelt auf bequemen Sesseln, anstatt sich auf harten Klappsitzen einen Wolf zu sitzen, so konnte man hier erstmals einen Fechtwettbewerb in angenehmem Kinoambiente verfolgen. Die Planche war vorne vor die Leinwand gestellt worden, auf die das Hauen und Stechen zeitgleich übertragen wurde. Dazu erklärte ein Conferencier launig das nicht unkomplizierte Regelwerk des klingenkreuzenden Gewerbes. Nebenbei deutete er an, wie ein Degen-Event noch zuschauerträchtiger gestaltet werden könnte: „Sie sollten die Damen mal ohne Bekleidung sehen, die haben von der Wucht der Treffer überall blaue Flecken.“

Hat man sich erst an den nackten Fechterinnen und ihren Flecken satt gesehen, sind durchaus weitere Sensationen im Fechtsport denkbar. Nicht umsonst ließen sich die Fechter zu ihrem Kino-Auftritt durch den neuen Bond-Film anregen, darin eine hübsche Stecherei zu sehen ist, die sich Bond und ein nordkoreanischer Schurke in einem noblen englischen Fechtclub liefern, mit allerdings scharfen Waffen. „Wer zuerst blutet, hat verloren“, lautet die einzige und leicht verständliche Regel dieses Kampfes, der überdies mit Faust- und Nackenschlägen sowie Tritten in den Unterleib und unter Einbeziehung diverser Vasen und herrlich zersplitternder Glasvitrinen geführt wird. Ein Verband, der sich an solchen Vorbildern orientiert, muss um die Zukunft sicher nicht bangen.

Andere Randsportarten sollten sich von seinen Ideen inspirieren lassen. Warum also nicht mal die Kugelstoßer in einem Porzellanladen antreten lassen, die rhythmischen Gymnastinnen in einer Großraumdisko oder die Schwebebalknerinnen auf der Theke eines Table-Dance-Schuppens? Möglichkeiten, die Hütte voll und die volle Aufmerksamkeit der Medien zu kriegen, gibt’s viele. Allerdings: So weit, wie es jener Erfurter Randsportler im letzten Jahr trieb, um seinen Sport aus dem Schatten der Schießbahnen ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen, soll bitte niemand gehen. Zum Glück war dies nur der, wenngleich schrecklich missratene, Versuch eines einzelnen und irregeleiteten Vertreters seiner Zunft und in keinster Weise mit seinem Verband abgestimmt. Nein, Amoklauf darf niemals olympisch werden.