Der Torwart, der sein Lachen sucht

Der Deutsche Robert Enke steht im Tor des FC Barcelona – allerdings nur im Training

BARCELONA taz ■ Dass Robert Enke einer der besten deutschen Torhüter ist, will auch an diesem Vormittag niemand sehen. Kein einziger Zuschauer trotzt der Kälte, um zu sehen, wie Enke nach regulärem Trainingsschluss Überstunden macht und sich gegen die Schüsse des Torwarttrainers wehrt. Selbst Trainer Louis van Gaal nicht.

Ein halbes Jahr nachdem der FC Barcelona, der von Legenden umhauchte 18-malige spanische Meister, ihn verpflichtet hat und Enke in den höchsten Spähren des Profifussballs angekommen schien, ist der 25-Jährige aus Jena unsichtbar geworden. Als Ersatztorwart ist er dort, wo niemand hinschaut, „und im Moment sieht es nicht so aus, als ob sich daran etwas ändert“, sagt er. Der Trainer hat sich für Roberto Bonano als ersten Torwart entschieden; das Risiko war immer da, schließlich ist Bonano argentinischer Nationalspieler – ein solider Kokurrent. „Natürlich wusste ich um die Gefahr, hier nur zweite Wahl zu sein. Aber natürlich glaubt jeder: Ich werde es schon schaffen.“ Er ist noch immer derselbe sympathische, rationale Gesprächspartner und doch ein anderer als vor einem Sommer. Das halbe Jahr hat ihn um Jahre älter gemacht, müder. Es hat ihm das Lachen gestohlen. „Man muss sich immer wieder sagen, es gibt noch andere Sachen außer Fußball, aber …“ Er beendet den Satz nicht.

Wie er da sitzt mit traurigen Augen im prunkvollen Empfangsraum des FC Barcelona ist Robert Enke mehr als ein bedauernswertes Einzelschicksal, er ist ein Symbol – für eine Mannschaft, der die Hoffnung aus dem Gesicht gewichen ist. Neunter, mit gigantischen 14 Punkten Rückstand auf die Spitze, ist der Klub mit dem Anspruch, immer Erster zu sein, derzeit in der spanischen Liga. Das Erschreckende ist, wie konstant mittelmäßig die Elf, zuhauf bestückt mit anerkannten Weltklassespielern wie Patrick Kluivert oder Marc Overmars, in dieser Saison spielt. Von den ersten Sechs der Tabelle hat man keinen einzigen besiegen können. Da erscheint es auch nicht mehr als eine nette Anekdote, dass sie die ersten zehn Champions-League-Spiele alle gewonnen haben.

„Überrascht bin ich nicht, dass es nicht läuft“, sagt Enke, und das ist erst einmal eine Überraschung – bis er weiterredet. „Ich kenne das doch schon.“ Seine Mannschaften blieben immer hinter den Erwartungen zurück. Mit Mönchengladbach stieg er 1999 aus der Bundesliga ab, in den drei Jahren danach etablierte er sich bei Portugals größtem Klub Benfica Lissabon als Star, sein Team aber blieb ohne eine einzige Trophäe. „Irgendwann könnte schon mal was rausspringen“, findet er.

Angesichts der finanziellen Nöte des Vereins gab Generaldirektor Xavier Pérez Farguell Anfang Dezember einigen Spielervermittlern eine Liste mit Profis, die zum Verkauf stünden. Enke stand auch darauf. Doch er wird bleiben, auf jeden Fall bis zum Saisonende, „Ich wüsste auch von keinem Angebot eines anderen Vereins“, sagt er. Und so wird er auch morgen wieder da draußen sein, auf dem Trainingsplatz, auf der Suche nach seinem verlorenen Lachen. RONALD RENG