Ullrichs neuer Aufbauplan

Jan Ullrich unterschreibt für drei Jahre beim Essener Profiteam Coast. Der Exchampion will im Ruhrgebiet ein „Riesen-Comeback“ starten – und das auch noch für weniger Geld

aus Essen MARTIN TEIGELER

Als Wolfram Lindner das Podium betrat, merkte er, dass sich beim Team Coast etwas verändert hat. Der Sportliche Leiter des Essener Profirennstalls musste warten, bis er seinen Platz auf dem Podium der Pressekonferenz einnehmen konnte. Eine Coast-Neuverpflichtung war hingegen umringt von Fotografen. Minutenlang ließ sich Jan Ullrich ablichten – erst dann gab es ein Durchkommen für Ullrichs neuen Chef, Lindner. In der denkmalgeschützten Zeche Zollverein gaben die beiden Ostdeutschen ihren Aufbauplan West bekannt. „Ich will hier ein Riesen-Comeback feiern“, sagte Ullrich brav, und Lindner machte dazu ein zufriedenes Gesicht.

Für drei Jahre unterschrieb der Tour-de-France-Sieger von 1997 beim Essener Profiteam. Sportliche Gründe hätten den Ausschlag für den Radrennstall aus dem Ruhrgebiet gegeben, behauptete Ullrich. „Ich verdiene hier weniger als bei Telekom“, gab der Exchampion zu Protokoll, Berichte über ein Salär von 7 Millionen Euro dementierte er. „Ich habe schwere Zeiten hinter mir“, sagte Ullrich, ein Jahresgehalt von gut 1,5 Millionen Euro dürfte der 29-Jährige künftig dennoch kassieren. Dafür sorgt schon Günther Dahms, der Mäzen des Revierteams. Der Boutiquenbesitzer soll den Ullrich-Vertrag privat finanziert haben.

Dabei hatte Konkurrent Lance Armstrong dem Deutschen unlängst noch jeglichen sportlichen Ehrgeiz abgesprochen. Zur Not ohne Bezahlung solle Ullrich beim dänischen Team des ehemaligen Telekom-Kollegen Bjarne Riis anheuern, stichelte der weltbeste Radrennfahrer. Coast habe eine große Zukunft vor sich, hielt Ullrich nun in der Zeche Zollverein dagegen. Sein Plädoyer für das Essener Team klang wie eine Rechtfertigungsrede vor dem Meister aus Texas. „Mit Fahrern wie Zülle und Casero können wir ganz vorne mitfahren“, sagte Ullrich. Er selbst werde vorerst aber nicht dabei sein. Nach Ablauf seiner Doping-Sperre will Ullrich frühestens bei der katalanischen Woche Ende März wieder aufs Rad steigen.

„Alte Fehler vermeiden“ will der neue Star beim Team Coast. „Nie wieder werde ich zu früh an den Start gehen“, gab Ullrich bekannt. Nach seiner langwierigen Knieverletzung wolle er kein schnelles, sondern ein starkes Comeback; das Jahr 2003 werde er nutzen, um wieder heranzufahren an die Weltspitze. „Danach will ich ein großes Rennen gewinnen“, sagte Ullrich – und alle Anwesenden wussten, welches der ehemalige Tour-Sieger meinte. Unterstützt wird der Klassefahrer mit der Aura eines Problemkindes dabei von Coast-Leiter Lindner, dem belgischen Ex-Telekom-Teamchef Rudy Pevenage sowie seinem Heimtrainer Peter Becker. „Gute Leute tun mir gut“, nennt Ullrich diese Anhänglichkeit zu alten Gefährten.

Zum Ruhrgebiet hat Jan Ullrich noch kein Verhältnis entwickelt. Der gebürtige Rostocker fremdelte im Revier und blickte sichtlich irritiert in die Industriehalle aus den Zeiten von Kohle und Stahl. „Mein neues Zuhause ist in der Schweiz“, versuchte sich Ullrich gar nicht erst als Kohlenpott-Sportler zu profilieren. Die Willkommensgrüße des Essener Oberbürgermeisters nahm er mit höflicher Gleichgültigkeit entgegen. Auch zur Kandidatur der Region Düsseldorf Rhein-Ruhr für die deutsche Olympiabewerbung 2012 fiel Ullrich nicht viel ein. „2012 ist weit weg“, sagte er nur knapp, er selbst denke eher an die Spiele 2004 in Athen.

Nach der Präsentation nahm Coast-Chef Wolfram Lindner den schnellsten Weg aus der Zeche Zollverein. „Mit Ullrich hat Coast ein deutsches Gesicht“, sagte er noch. Sein neuer Schützling musste derweil in die Kameras lächeln und noch einmal erklären, warum er ausgerechnet von Essen aus sein Comeback startet.