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In Indonesien muss sich ein Deutsch-Ägypter wegen Visa-Vergehen vor Gericht verantworten. Auch die Bundesanwaltschaft interessiert sich für den Mann. Sie ermittelt wegen mutmaßlicher Verbindungen zu al-Qaida

BERLIN taz ■ Seinen 43. Geburtstag hat Seyam Reda vor zwei Wochen im Gefängnis der indonesischen Hauptstadt Jakarta gefeiert. Noch steht er dort wegen Visavergehen vor Gericht. Bewahrheitet sich auch noch der Verdacht einer Al-Qaida-Verbindung Redas, dürfte er jedoch noch einige Geburtstage hinter Gittern verbringen.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen den Deutsch-Ägypter Reda nach Paragraf 129 b Strafgesetzbuch, der Gründung, Mitgliedschaft oder Unterstützung einer im Ausland bestehenden terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt. Reda ist in Ägypten geboren, hat dort Mathematik studiert und später geheiratet – eine Deutsche. Mehrere Jahre lebte er mit Frau und zwei Kindern in der Nähe von Freiburg. Mitte der Neunzigerjahre hielt er sich in Bosnien auf. Zunächst im Dienst einer deutschen Hilfsorganisation, später habe er, so sein Anwalt, in Sarajevo eine Autovermietung betrieben. 2001 ließ sich Reda von der Deutschen Botschaft in Saudi-Arabien einen neuen Pass ausstellen. Im August letzten Jahres reiste er in Indonesien ein.

Reda war schon vor seiner Verhaftung am 16. September beschattet worden. Omar al-Faruk, aus Kuwait stammender mutmaßlichen Al-Qaida-Kopf für Südostasien, soll ausgesagt haben, Reda zu kennen. Im Juni in Indonesien verhaftet, war al-Faruk wochenlang im afghanischen US-Stützpunkt Bagram verhört worden – laut Time unter Anwendung von folterähnlichen Methoden wie Einzelhaft und Schlafentzug. Zwei Wochen vor Redas Festnahme hatte al-Faruk ausgesagt.

Eine Visitenkarte als belastendes Indiz

Das zweite belastende Indiz: die Visitenkarte von Agus Dwikarna in Redas Brieftasche. Der Indonesier Dwikarna sitzt seit knapp einem Jahr wegen illegalen Sprengstoffbesitzes und der Planung von Anschlägen in Jakarta und Manila auf den Philippinen im Gefängnis. Dwikarna wurde als Gründer der radikalislamischen Kampftruppe Laskar Jundullah und als Generalsekretär des Rates der indonesischen Mujahidin berühmt. Beide kämpfen für einen südostasiatischen Staat, in dem allein die islamische Rechtsordnung gilt.

Auch die indonesische Justiz wollte Reda zunächst wegen der angeblichen Terror-Connection vor Gericht stellen. Doch die Indizien reichten offenbar nicht – die Anklage lautete „nur“ auf Verletzung der Visa-Bestimmungen. Reda hatte ein Haus gemietet, was er als Tourist nicht darf. In diesem Haus habe Reda, der sich selbst als Journalist ausgibt, ein Medienbüro eröffnen wollen. Einen Nachweis, für welche Medien Reda gearbeitet hatte, konnte er bisher nicht erbringen.

Zumindest das Inventar für ein Korrespondentenbüro hatte Reda. Nach Angaben der indonesischen Zeitung Kompas fanden Ermittler in seinem Haus mehrere Computer, Kameras und einen Videorekorder. Der brisanteste Fund: 36 Videokassetten, auf denen Übungen islamistischer Kämpfer in den indonesischen Konfliktregionen Ambon (Molukken), Poso (Sulawesi) und Aceh (Nordsumatra) zu sehen waren. In Poso hatte auch Dwikarnas Laskar Jundullah ihr Haupteinsatzgebiet.

Unterwegs mit Videos vom „heiligen Krieg“

Mit dem „heiligen Krieg“ auf Video habe Reda Spenden für Terroraktionen einwerben wollen, glauben die Ermittler. Sie vermuten, dass Reda die Bänder ins Ausland schaffen wollte, nach Nordafrika oder auf die arabische Halbinsel. Redas Anwalt, Rizal S. Gueci, sagt dagegen, sein Mandant habe Video-Material und Technik bei einer Geschäftsauflösung gekauft und nicht gewusst, was auf den Bändern sei.

Und Dwikarnas Visitenkarte? Die Karte sei vor Redas Verhaftung nicht in der Brieftasche gewesen, sagt Redas Anwalt Gueci der taz. Sein Mandant habe ihm versichert, Dwikarna nicht zu kennen. „Nach meiner Erfahrung ist nicht immer wahr, was der Geheimdienst sagt“, so Gueci. Außerdem habe es Versuche gegeben, Redas Geständnis mit Folter zu erzwingen.

Die Staatsanwaltschaft in Jakarta fordert 18 Monate Haft für Reda. Ein ungewöhnlich hohes Strafmaß für ein Visavergehen. Gängige Praxis ist es, dem Betroffenen zwar die im Gesetz stehenden maximalen fünf Jahre anzudrohen, ihn aber dann sofort auszuweisen. Es sieht so aus, als solle Zeit gewonnen werden, um Beweise zusammenzutragen. Das BKA und die indonesische Polizei arbeiten wegen der Ermittlungen zum Bali-Anschlag, bei dem am 12. Oktober fast 200 Menschen starben, ohnehin eng vor Ort zusammen.

Auch deutsche Kriminalbeamte haben Reda in Jakarta verhört. Für einen Haftbefehl und die Auslieferung Redas scheinen die Indizien nicht gereicht zu haben. Doch es gibt andere Wege, Reda nach Deutschland zu bekommen. Das Auswärtige Amt bestätigt, dass sein Pass durch die deutsche Botschaft in Jakarta entzogen wurde. Einen Reiseausweis nach Deutschland könne er aber jederzeit bekommen. Somit ist eines bereits verhindert: dass Reda, so das Urteil des Gerichts in Jakarta, mild ausfällt, sofort des Landes verwiesen wird und mit unbekanntem Ziel den indonesischen Archipel verlässt.

ANETT KELLER