Bauchlandung in Moorburg

Bundesumweltminister Gabriel fordert, den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg zu genehmigen. Entschieden wird am Dienstag, und die schwarz-grüne Koalition in Hamburg droht zu kippen

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Wenige Tage vor der Entscheidung über den Bau des Steinkohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg hat sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) für eine Genehmigung ausgesprochen. „Ganz klar ja“, sagte er am Mittwochabend auf einer SPD-Veranstaltung in Altona. Aber nicht, weil er plötzlich Kohlefan geworden sei, Betreiber Vattenfall habe einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung, wenn alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt seien.

Das Dilemma der schwarz-grünen Koalition an der Elbe habe diese selbst verschuldet, so Gabriel. Die Grün-Alternative Liste (GAL) hätte im Wahlkampf „den Bürgern vorgemacht, sie könnte in die Ordnungspolitik eingreifen und am geltenden Recht vorbei dafür sorgen, dass das Kraftwerk nicht gebaut wird“. Und wer das tue, „der riskiert eine Bauchlandung. Und das passiert gerade in Hamburg.“

Am kommenden Dienstag will die, von der grünen Senatorin Anja Hajduk geführte Umweltbehörde erklären, ob sie den Bau des größten Steinkohlekraftwerks Deutschlands erlaubt. Politische Beobachter gehen inzwischen davon aus, dass der Betreiber Vattenfall die beantragte Baugenehmigung erhält. Fraglich ist lediglich, ob und unter welchen Auflagen die Erlaubnis erteilt wird.

Ein denkbare Variante ist, eine eingeschränkte Betriebserlaubnis auszusprechen. Ziel wäre es, die jährlichen Emissionen von runden acht Millionen Tonnen Kohlendioxid auf den deutlich niedrigeren rechnerischen Ausstoß eines Gaskraftwerkes zu reduzieren. „Eine totale Ablehnung ist nicht drin, jetzt geht es um möglichst hohe Hürden“, so ein Spitzengrüner.

Klares Indiz für eine Genehmigung des „Klimakillers Moorburg“, den die Grünen im Hamburger Wahlkampf zu Jahresbeginn entschieden abgelehnt hatten, sind zwei Termine. Unmittelbar nach der Entscheidung der Umweltbehörde ist am Dienstagabend eine interne Informationsveranstaltung nur für Mitglieder der Grünen angesetzt. Auch der Termin für einen Sonderparteitag am 9. Oktober steht bereits fest. Denn nur dort können formelle Beschlüsse, etwa auf Beendigung der im April geschlossenen schwarz-grünen Koalition, gefasst werden.

Die Stimmungslage sei zurzeit „etwas unübersichtlich“, räumte die GAL-Vorsitzende Katharina Fegebank am Donnerstag bei einem Besuch in der Hamburger taz-Redaktion ein. Es gebe in der Partei „schon eine gewisse Anspannung und auch Besorgnis“. Insgesamt aber gehe die Basis mit dem Thema Moorburg „sehr ruhig und besonnen“ um.

Dass inzwischen mehrere Mitglieder über einen Ausstieg aus dem Bündnis mit der CDU öffentlich laut nachdenken, „ist ihr gutes Recht“. Speziell der grüne Bezirksabgeordnete Lars Andersen aus Hamburg-Altona hat angekündigt, auf einem Sonderparteitag in zwei Wochen einen Antrag zur Auflösung der Koalition vorzulegen, falls das Kraftwerk genehmigt würde.

Für den Klimaschutz sei der Bau von Moorburg „ohne Bedeutung“, befand hingegen Gabriel. Ab 2013 sei der Ausstoß von CO2 im dann eingeführten Emissionshandel „gedeckelt und kostenpflichtig“. Energieunternehmen müssen sich jede Tonne CO2 erkaufen – und zwar wegen der Konkurrenz unter den Stromproduzenten umso teurer, je mehr Kraftwerke laufen. „Da die Menge begrenzt ist, steigt der Preis“, sagte Gabriel, auf etwa 35 bis 40 Euro pro Tonne. Die erwünschte Konsequenz sei, dass Kohlekraftwerke nicht mehr rentabel zu betreiben seien.

Grüne und Umweltschützer forderte Gabriel auf, den europäischen Emissionshandel „nicht länger gezielt auszublenden“. Dies berge die Gefahr der Renaissance der Atomkraft: „Dann steigt der Druck, die Laufzeiten für Atomkraftwerke zu verlängern“. Und das, so Gabriel, sei ja wohl kaum Sinn der Sache.