Namenloses Raunen

Über ein erstaunliches Maß an denunziatorischer Energie verfügt die Niedersachsen-SPD: Während die Staatsanwaltschaft anonymen Vorwürfen gegen Garrelt Duin nachgeht, streuen Vertraute des Vorsitzenden neue Swantje Hartmann-Gerüchte

von BENNO SCHIRRMEISTER

Vielleicht richten sie bei der Oldenburgischen Staatsanwaltschaft ja demnächst ein Sonderdezernat ein: Parteikriminalität könnte es heißen. Oder schlicht Dezernat für Weser-Ems SPD. Weniger wegen deren illegalen Praktiken. Sondern weil sich in ihr ein großes Potenzial an denunziatorischer Energie mehr und mehr Bahn bricht.

Denn während die Ermittlungen gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Unterbezirke Delmenhorst, Oldenburg und Wesermarsch, Lars E., seit rund einem halben Jahr andauern – „es ist“, sagt ein Sprecher der Anklagebehörde, „auch noch keine Entscheidung in Sicht“ – muss sich die Staatsanwaltschaft jetzt auch noch mit einem ungleich prominenteren Mitglied beschäftigen: Garrelt Duin, Landesvorsitzender, Bundestagsabgeordneter. Und voraussichtlicher SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2013.

„Vorermittlungen sind ein Überprüfungsvorgang, noch keine strafprozessuellen Maßnahmen“, stellt die Staatsanwaltschaft klar. Bei Lars E. hatten die Vorermittlungen von März bis Mai gedauert. Und wie sein ehemaliger Vertrauter ist auch Duin anonym angezeigt worden – beziehungsweise von einer obskuren Bürgerinitiative „Saubere Politik“, die nirgends aktenkundig ist, offenkundig aber erstaunlich viele Partei-Interna kennt. Was nahe legt, dass der Beschuldiger ihr angehört. Er insinuiert Verstöße gegen das Parteiengesetz und dass Duin „Steuerverkürzungen“ durchgeführt habe. „Es wird geprüft, ob die Angaben für einen Anfangsverdacht reichen“, so die Staatsanwaltschaft. Duin mochte sich gestern nicht zu dem Vorgang äußern.

Verständlich, schließlich muss er sich auch anderweitig verteidigen, auf abgeordnetenwatch.de etwa, und auch in der Geschichte um Swantje Hartmann ist er noch immer nicht als glorreicher Sieger vom Platz gegangen. Obwohl er dafür die Weichen gestellt hat: Über die Ziele der eingesetzten Untersuchungskommission, die im Oktober zusammentreten wird, hat „ein Vertrauter von Duin“ dem NDR so einiges gesteckt: „Geprüft werde unter anderem“, so referiert der Sender, ob Hartmann „regelmäßig ihre Beiträge an die Partei abgeführt habe“. Dabei werden die gemeinhin abgebucht. Im Formschreiben, das ein neuer Abgeordneter am Tag nach der Wahl aus seiner Partei erhält, heißt es: „Dein Mitgliedsbeitrag wird automatisch von uns angepasst und“ – zum Anfang des kommenden Monats – „eingezogen.“

Leider hat der ungenannte Informant dem NDR nicht erläutert, wie sich eine Abgeordnete davor drücken kann, ohne einen Eklat zu verursachen. Aber das kann vielleicht die Kommission klären, die, da ist sich der Unbekannte laut Landesrundfunkanstalt sicher, „Verfehlungen von Hartmann feststellen werde“.

Die hat das als Vorverurteilung gedeutet. Und ist seither skeptisch, ob die Kommission, die sie im Frühjahr gefordert hatte, wirklich unbefangen arbeitet. „Ob ich dort als Zeugin aussage, berate ich noch mit meinen Anwälten“, sagt sie.

Vielleicht ist das zu viel des Misstrauens. Schließlich hat Duin die Kommission mit namhaften Altgenossen besetzt. Zum Beispiel hat der honorige Dietmar Schütz den Vorsitz übernommen. Schütz war früher Oberbürgermeister von Oldenburg und ist heute Präsident des Bundesverband Erneuerbare Energie e. V.. Auf der offiziellen Lobbyliste des Deutschen Bundestags steht der Verein auf Seite 166, Präsident Schütz ist namentlich erwähnt – und dass Duin ihn für diese Kommissionsarbeit ausgesucht hat, kam für ihn „unerwartet“, wie er sagt. „Damit rechnet man in dem Amt natürlich nicht.“ Dass er als Cheflobbyist viel mit dem Wirtschaftsausschuss und dessen Mitglied Garrelt Duin zu tun hat, bestreitet Schütz. Wahrscheinlich fahren die beiden auch nie gemeinsam Zug. Denn die Strecken Emden-Berlin und Oldenburg-Berlin weisen Überschneidungen zwar auf. Identisch sind sie aber nicht.

„Swantje Hartmann ist nicht Beschuldigte“, so Schütz über den Kommissions-Auftrag. Zwar „untersucht sie ob es zu finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen“ zugunsten Hartmanns gekommen sei, sie sei lediglich „als Zeugin geladen, die Rechte einer Beschuldigten hat sie nicht“.

Will sagen: Sie bekommt keine Akteneinsicht. Als weiterer Zeuge ist Garrelt Duin geladen. Und seine Vertraute Johanne Modder. „Ich denke, wir werden das schnell zum Abschluss bringen“, prognostiziert Schütz. Man ist versucht, ihm zuzustimmen.