Gabriel setzt ganz auf Bagdad

Kriegsgefahr als Wahlkampfthema in Niedersachsen: Landeschef gründet Kompetenzzentrum, alarmiert Unikliniken und erklärt Auswirkungen auf Europa

HANNOVER taz ■ Der niedersächsische Regierungschef und Wahlkämpfer Gabriel hat bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seiner Sozialministerin und seinem Innenminister die Gefahren durch einen Irakkrieg beschworen und ein Maßnahmenpaket zum Schutze seiner Landeskinder vorgestellt.

Es sei davon auszugehen, dass Amerika, „gleichgültig, was die Vereinten Nationen beschließen, einen Krieg gegen den Irak beginnen“ würden, stellte Gabriel am Dienstagabend in Hannover nach einer Sitzung des Landeskabinetts fest. Ein Krieg werde „zu einem Anwachsen der Bedrohung durch Terroranschläge führen“. Das Landeskabinett habe deswegen die Gründung eines „Kompetenzzentrums Großschadenslagen“ beschlossen, sagte der SPD-Politiker, dessen Partei zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Umfragen acht bis zehn Prozentpunkte hinter der CDU zurückliegt.

Über das neue Kompetenzzentrum sollten künftig bei Katastrophenfällen Fachleute aus allen Landesbehörden, von Hilfsorganisationen und auch aus Unternehmen schnell mobilisiert werden können. Das Kabinett habe außerdem die Unikliniken des Landes beauftragt, „eine Analyse für Katastrophenfälle durchzuführen“. Der Innenminister werde zudem „vermehrt Katastrophenschutzübungen durchführen“.

Niedersachsen müsse sich auch „auf das Thema Bioterrorismus vorbereiten“. Das Kabinett habe deswegen auch 6,5 Millionen Euro für die Anschaffung von 10 Millionen Dosen Pockenimpfstoff bewilligt. Im Februar werde es Fortbildungen für Impfärzte geben, kündigte Gabriel an.

Allerdings wird schon vorher, am 2. Februar, in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Der Ministerpräsident betonte denn auch, dass er einen „Irakkrieg für absolut gefährlich“ halte und er strikt gegen einen Krieg sei. Eine „hilfreiche Bemerkung“ nannte er die Klarstellung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, dass Deutschland in allen Gremien gegen einen Krieg stimmen werde. Er kritisierte den Beschluss der CDU-Klausurtagung in Göttingen, wonach sich Deutschland an einem Krieg beteiligen soll, wenn er auf Grundlage eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrats geführt wird.

Angesichts der „instabilen Lage in den arabischen Staaten“ werde ein Irakkrieg nach allgemeiner Einschätzung „Auswirkungen auf Europa“ haben, sagte Gabriel weiter. Zugleich betonte er allerdings, es gebe „keine konkrete Gefahr für die Menschen in unserem Land“. Wenn Informationen über eine reale Gefahr vorlägen, würden alle Niedersachsen aufgefordert, sich innerhalb von fünf Tagen impfen zu lassen.

Während Gabriel die Ablehnung, auf die ein Irakkrieg mehrheitlich beim Wahlvolk stößt, offenbar für den Wahlkampf nutzen will, scheint sein Herausforderer Christian Wulff das Thema eher zu fürchten. In der Frage eines Irakkrieges gebe es „große Übereinstimmung zwischen uns, dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister“, sagte der CDU-Landeschef Anfang der Woche. Die Christdemokraten seien sich mit der Bundesregierung einig, dass über das deutsche Abstimmungsverhalten im Weltsicherheitsrat situationsgerecht und verantwortlich entschieden werden müsse. „Das Thema ist nicht für einen Landtagswahlkampf tauglich“, betonte Wulff. Die Niedersachsen wüssten, dass bei der Landtagswahl nicht über einen Irakkrieg entschieden werde.

JÜRGEN VOGES