Zwei Köpfe für Europa

Frankreich und Deutschland einigen sich auf eine Doppelspitze für die Europäische Union: Künftig soll es zwei Präsidenten geben. Es droht permanenter Richtungsstreit

BERLIN taz ■ Wie viele Köpfe führen Europa? Frankreich und Deutschland haben sich in einer nächtlichen Sitzung in Paris auf einen Vorschlag geeinigt, der das Gesicht der Europäischen Union auf Jahre hinaus prägen könnte: Künftig sollen zwei Präsidenten gleichberechtigt die Spitze der Union bilden, was in Brüssel umgehend zu Warnungen vor einer Dauerrivalität führte.

Ein so genannter EU-Ratspräsident wird dem Vorschlag zufolge von den EU-Regierungschefs für bis zu fünf Jahre gewählt. Bisher rotierte die Position halbjährlich unter den Mitgliedsstaaten. Ihm ebenbürtig ist der Präsident der EU-Kommission, der anders als derzeit vom Europäischen Parlament bestimmt wird. Die Rolle der bisherigen EU-Außenpolitiker soll im Amt eines EU-Außenministers zusammengefasst werden. Über die Vorschläge muss zunächst der EU-Konvent entscheiden, der zurzeit an einem Verfassungsentwurf für Europa arbeitet.

Der Einigung zwischen Jacques Chirac und Gerhard Schröder in der Nacht auf Mittwoch ging ein Ringen um konkurrierende Modelle voraus. Außenminister Joschka Fischer räumte ein, mit seiner bevorzugten Lösung am Widerstand Frankreichs gescheitert zu sein. Fischer favorisierte eine Einzelperson, die in beiden Institutionen „den Hut aufhat“, weil er sich davon eine stärkere Integration der Gemeinschaft versprach sowie eine größere Ausstrahlung des Präsidenten auf die Bürger. „Ich bin ein Anhänger des Doppelhuts“, sagte er gestern.

Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin hatte in Vorgesprächen einen Kompromiss angeregt. Er sah nach Fischers Worten einen eher repräsentativ wirkenden, im Institutionengefüge der EU auf die Schlichterrolle orientierten Präsidenten vor, dem die Rats- und Kommissonsvertreter als Vizepräsidenten unterstellt wären. Staatspräsident Chirac habe die Idee der Dreierführung aber in Paris nicht mehr auf den Tisch gelegt, sagte der deutsche Außenminister.

Ungeklärt sind in der deutsch-französischen Initiative die Befugnisse des Ratspräsidenten sowie die Frage, ob er gleichzeitig Mitglied einer nationalen Regierung sein kann. Bedenken meldeten gestern vor allem kleine EU-Staaten an, die durch die rotierende Präsidentschaft eine Aufwertung erführen. Der österreichische Europa-Abgeordnete Johannes Voggenhuber kritisiert in der taz, mit der Initiative „würde das nicht gerade erfolgreiche französische Modell der Kohabitation auf Europa übertragen“. PATRIK SCHWARZ

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