: Neuer Sündenbock soll kuschen
Filzvorwürfe gegen Justizsenator Roger Kusch (CDU) vor dem Rechtsausschuss der Bürgerschaft: Alles nicht merkwürdig, und schwerwiegend schon gar nicht
Der Sündenbock soll plötzlich einen anderen Namen tragen. Nicht Justizsenator Roger Kusch (CDU) will verantwortlich dafür sein, dass die Einstellung der Ehefrau von Bild-Redakteur Matthias Soyka in der Justizbehörde Merkwürdigkeiten aufweist. Stattdessen trägt laut Kusch ein Mitarbeiter seiner Behörde die Schuld – einer mit SPD-Parteibuch. Denn zum fragwürdigen Anruf Soykas bei Kuschs Büroleiter während des Auswahlverfahrens sei es nur gekommen, weil jener Mitarbeiter zuvor Frau Soyka auf Probleme mit ihrer Qualifikation hingewiesen habe. „Eine außergewöhnliche Vorgeschichte“, sagte Kusch gestern Abend im Rechtsausschuss der Bürgerschaft, der die Filz-Vorwürfe gegen den Senator erhellen wollte.
Weit weniger merkwürdig findet dieser nach wie vor, dass als Reaktion auf dieses Telefonat der Bild-Redakteur im Interesse seiner Frau in Kuschs Büro anrief. Dessen Gattin habe im Zug nach Kassel gesessen, hatte Kusch schon am Montag erklärt. Nur: Frau Soyka saß lediglich gut zwei Stunden im Zug. Weshalb Kusch gestern erklärte, dass der Gatte wohl auch deshalb zum Hörer griff, weil ihm Kuschs Büroleiter schon länger bekannt gewesen sei. Im Übrigen, betonte er ein weiteres Mal, war der Anruf des Journalisten „keine Einflussnahme, sondern der Versuch einer Information“.
Bemerkenswert an jenem Telefonat war auch, dass Kuschs Büroleiter Soyka darin versichert hatte, dessen Frau sei die Favoritin der Behördenleitung – obwohl Kusch mit ihr noch kein offizielles Bewerbungsgespräch geführt hatte. Dazu erklärte der Justizsenator gestern, die Formulierung habe nur ausgedrückt, dass die Bewerberin die einzige gewesen sei, welche die Ausschreibungskriterien erfüllte. Die anderen seien keine Juristinnen gewesen.
Die Hauptkonkurrentin war allerdings die Vize-Leiterin der Abteilung, deren Chefsessel ausgeschrieben war. Und in dieser „Abteilung für Soziale Dienste“ sind keine Juristinnen, sondern Sozialarbeiterinnen beschäftigt.
Der Eindruck von SPD-Abgeordneten, das Anforderungsprofil für die Leitungsstelle sei „auf eine bestimmt Person zugeschnitten gewesen“, blieb von Kusch unkommentiert. Dass die angeblich unqualifizierte Konkurrentin überhaupt zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, erklärte er damit, dass die Behörde auch ihre Bewerbung „ernst nehmen wollte“.
SPD und GAL, die erwägen, in der Angelegenheit einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzuberufen, hatten zu Beginn der Sitzung ein Wortprotokoll beantragt. Das wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt. Denn ein Wortprotokoll, erklärte die CDU-Abgeordnete Viviane Spethmann, werde nur „in schwerwiegenden Angelegenheiten geführt“. elke spanner