Konservativ nur im Sujet

Wiederentdeckung in Oldenburg: Der kompromisslose Impressionist Carl Bantzer

Zwischen „Aufbruch und Tradition“, das umschreibt den Schnittpunkt, in dem das ausgehende 19. Jahrhundert lag. Zugleich ist es der Titel einer Ausstellung im Oldenburger Augusteum: Gezeigt werden Arbeiten des Malers Carl Bantzer (1857-1941), dessen Hauptwerk um die Jahrhundertwende entstand.

Die Schau führt gleichsam durch Bantzers Leben. Denn seine Studien, Zeichnungen und Gemälde sind immer konkrete Beobachtungen des Alltags seiner Menschen, meist aus dem ländlichen Raum – nie jedoch Idealisierungen. Das kann man als Genremalerei abtun. Und in die Schublade des „Heimatmalers“ wurde Bantzer denn auch gesteckt, als seine Schüler an der Dresdner Akademie dem Expressionismus zustrebten.

Bantzer jedoch blieb, wo er war: in der Landschaft, bei den Menschen. Und damit nur im Gegenstand konservativ, beharrend auf dem genauen Schauen, der Farbanalyse im Lichte der Realität. In der Behandlung der Farbe als Eigenwert, in seinem Duktus, der Töne setzt, zeigt Bantzer seine moderne Auffassung von Malerei, die immer gepaart bleibt mit meisterlichem Wissen um Komposition und Licht.

Schon ungewöhnlich: Ein Aquarell (1889), das seine Mutter zeigt. Dunkle, pastos aufgetragene Farben auf Leinwand, das hebt sich deutlich ab von der genretypischen Couleur. Und auch die Zeichnung daneben, wiederum seine Mutter, webt über Verdichtungen in den Schraffuren und im Verbund mit wohl platzierten Leerstellen die Figur in den Raum. Der ist über konstruktive Elemente nur angedeutet: Die Ecke eines Fensters genügt, der Betrachter vervollständigt das Bild. Diese Grundsätze sind charakteristisch für moderne Malerei. Sie kündigen sich vor allem in den Studien der 1880er- und 90-er Jahre an. Da herrscht das Zeichnerische vor, das Fragment.

In ihnen spielt Bantzer auf der Klaviatur der Farbakkorde, Simultankontraste schaffen spannungsvolle Reigen. Das Kolorit wird kompositorisches Element, der Pinselduktus wird grob. So verbildlicht der erstaunliche Naturalismus die Risse der Physiognomien sogar noch in der Farboberfläche. Das verschlossene Antlitz einer hessischen Bäuerin etwa: plastisch, ein Mensch. Die Malerei: gebrochen.

Auch die Landschaften folgen diesem Spiel. Schon 1894 sind im „Vorfrühling am Bach“ die Schatten blauviolett getönt, Baumstämme schillern lila. Fast ins grell-expressionistische geht die Farbe im „Waldspaziergang“ von 1913 über, wird aber – Konzession eines Auftragswerkes –wieder domestiziert. Doch auch hier belegen die Studien, zu welchen Ufern Carl Bantzer tatsächlich aufgebrochen war.

Marijke Gerwin

Landesmuseum Oldenburg, noch bis 9. Februar