Die Krise belebt das Geschäft

Karl Baumgartner bekam gestern Abend den Bremer Filmpreis verliehen. In der taz erklärt der Verleiher und Produzent, warum er sich mehr als Filmverleger versteht – und wie er Produktionen aus aller Welt in die deutschen Programmkinos brachte

Außerhalb der Branche kennt man seinen Namen kaum. Dabei ist Karl Baumgartner dafür verantwortlich, dass Regisseure wie Jim Jarmusch, Andrej Tarkovsky, Jane Campion und Aki Kaurismäki in Deutschland bekannt wurden. Auch wären ohne ihn Filme wie „Bella Luna“, „Samsara“ oder „Bella Martha“ nie entstanden. Zurecht also hat die Jury des Filmpreises sich für den Mann, der hinter den Kulissen arbeitet entschieden. Der Produzent und Verleiher Baumgartner erhält die Ehrung nach den SchauspielerInnen Bruno Ganz und Tilda Swinton sowie den RegisseuInnen Agnés Varda und Marcel Ophüls

taz: Herr Baumgartner, Sie haben als Kinomacher angefangen, jetzt sind sie Verleiher und Produzent. Wie kam das?

Baumgartner: Angefangen habe ich an der Kinokasse. Dadurch habe ich gelernt, was für Leute in welche Filmen gehen und wie sie hinterher aus dem Kino herauskommen. Dann war ich einmal beim Festival in Hof. Da lief der Schweizer Film „Nacht im Feuerland“. Den wollte keiner verleihen, und mir hat er gefallen. Also habe ich mit meinem Partner Reinhard Brundig einen Verleih gegründet…taz: …und weiter?Baumgartner: Wir brachten schon realitv früh sehr starke Filme wie „Yol“ von Yilmaz Güney oder Tarkovskys „Nostalgia“ heraus. Dabei hatten wir immer einen direkten Draht zu den Regisseuren. Und die haben uns dann gefragt, warum wir nicht schon vorher einsteigen würden. Also kauften wir die Filme nicht erst, wenn sie schon fertig waren, sondern die Regisseure schickten uns ihre Drehbücher. Wir entschieden dann, ob wir mitmachen wollten. taz: Was ist daran so besonders?Baumgartner: Ich habe mich dabei immer mehr als eine Art Verleger gesehen, der seine Künstler unterstützt, auch wenn sie mal einen schwächeren Film gemacht hatten. taz: Nennen Sie ein Beispiel!Baumgartner: Bei Aki Kaurismäki etwa ging das extrem auf und ab. Der hatte schon ein Hoch mit Filmen wie „I Hired a Contract Killer“ oder den „Leningrad Cowboys“, da hatten wir über 200.000 Kinobesucher. Dann ging es steil bergab. Der Tiefpunkt war „Jonah“. Den wollte kaum einer sehen. Jetzt ist Kaurismäki mit „Der Mann ohne Vergangenheit“ wieder sehr erfolgreich. Deshalb bin ich weltweit der einzige, der die Rechte für alle Filme von Aki Kaurismäki hat oder auch Jim Jarmusch.In anderen Ländern mussten die sich von Film zu Film neue Verleiher suchen. Umgekehrt stehen die beiden jetzt auch zu uns, obwohl sie ihre Filme bei viel größeren Verleihern unterbringen könnten.

taz: Man sagt Ihnen eine sehr gute Nase nach. So sollen sie auf Festivals die Verträge mit den Preisträgern meist schon vor den Juryentscheidungen unterzeichnet haben …

Baumgartner: Ja, das ist wohl so! In Cannes hatten wir in einem Jahr gleich alle drei Hauptpreisträger in unserem Programm: Damals wurde die Goldene Palme unter Jane Campions „Das Piano“ und Chen Kaiges „Farewell, My Concubine“ geteilt. Und im selben Jahr hat auch noch Jim Jarmusch dort einen Preis gewonnen, mit dem Kurzfilm „Coffee and Cigarettes“. taz: Wieso war Ihr Pandora Filmverleih so lange der bedeutendste für das deutsche Programmkino?Baumgartner: Ganz wichtig ist wohl, dass wir Filme aus der ganzen Welt gezeigt haben. Wir waren die ersten, die finnische Filme nach Deutschland gebracht haben. Und „Salaam Bombay“ war der erste indische Film, der Erfolg in den Programmkinos hatte. Dann kamen die chinesischen und die iranischen Filme dazu… Wir waren immer sehr neugierig – und deshalb oft schneller als die anderen. Für mich werden im Moment die interessantesten Filme in Argentinien gemacht. Und das ist kein Zufall, denn das Land ist gerade in einer schweren Krise. Immer da, wo harte Gegensätze und harter Widerstand sind, ist auch das Kino am spannendsten.

taz: Es gibt ja dieses Bild vom Produzenten als Feind der Regisseure…

Baumgartner: Dafür haben ich wohl zu großen Respekt. Wenn ein Regisseur einen Film macht, riskiert er alles. Das ist, wie nackt über die Straße zu gehen. Ein Produzent kann höchstens Geld verlieren.

taz: Aber in seiner Rolle zwischen Filmemachern und Finanziers, ist da der Produzent nicht immer der Buhmann?

Baumgartner: Das ist tatsächlich schwierig. Aber im besten Fall vertraut der Regisseur dem Produzenten. Dann ist er der erste Zuschauer. Und diese Partnerschaft suchen die Regisseure ja auch. Die klugen Filmemacher, die, die ich am meisten schätze, waren auch immer am offensten für Kritik oder Änderungsvorschläge. Die verteidigen ihre Ideen aus ganzem Herzen und haben zu 99 Prozent auch recht. Aber wenn nicht, dann sehen sie es auch ein.

Interview: Wilfried Hippen