Besuch bei der alten Dame

Martina Navratilova spielt bei den Australian Open zusammen mit der 17-jährigen Russin Swetlana Kusnetsowa im Doppel. Damit ist die 46-Jährige nicht nur erfolgreich, sondern eine Attraktion

Der Sieg ist das Ziel für Martina Navratilova. Immer noch! Sonst würde sie es lassen

aus Melbourne DORIS HENKEL

In Scharen strömten die Leute zur Margaret Court Arena, und wer zu spät kam, der suchte vergeblich nach einem Sitzplatz. Frauendoppel, erste Runde, der Hit eines jeden Turniers.

Stopp! So stimmt die Geschichte natürlich nicht. Selbst in Australien, wo die Leute das Doppelspiel mehr lieben als überall sonst auf der Welt, ist so eine Partie der ersten Runde nicht der Knüller. Aber es gibt drei Ausnahmen für diese Regel. Erstens: Anna Kurnikowa und Partnerin. Zweitens: die Schwestern Williams. Drittens: Martina Navratilova und Partnerin – zumal dann, wenn diese Partnerin 29 Jahre jünger ist und wenn man weiß, dass die beiden erst vor zwei Wochen einen Titel zusammen gewonnen haben.

In Europa und in den USA haben sich die Tennisfans daran gewöhnt, dass die große Navratilova seit knapp drei Jahren wieder Doppel spielt. Bei der Premiere 2000 in Paris standen die Leute noch Schlange vor dem Eingang, ein paar Wochen später in Wimbledon bildeten sie bewundernd für sie Spalier, aber im Jahr danach war schon wieder Normalität eingekehrt. Dass man sie bewunderte für ihre Fitness und die immer noch sichtbare Leidenschaft fürs Spiel, den Jubel aber schließlich für jene reservierte, die den Titel gewannen, war ihr recht. Das Prinzip Leistung vor Alter könnte sie erfunden haben.

In Australien liegen die Dinge aber nun anders, denn in Melbourne hat Navratilova zum letzten Mal gespielt, als sie 1989 an der Seite ihrer langjährigen Doppelpartnerin Pam Shriver den vorletzten ihrer insgesamt 31 Grand-Slam-Titel im Doppel gewann. Und dass sie nun ausgerechnet auf diesem Platz spielte, dem drittgrößten im Melbourne Park, der vor ein paar Tagen auf den Namen Margaret Court Arena getauft worden ist, beschreibt am besten die Dimensionen ihrer unvergleichlichen Karriere: Vor 30 Jahren gewann die Australierin Margaret Court in Melbourne den letzten von 24 Grand-Slam-Titeln im Einzel, und beim Abschiedsturnier zwei Jahre später haben Court und Navratilova, damals 18, noch im Viertelfinale gegeneinander gespielt.

Nun ist sie also an der Seite von Swetlana Kusnetsowa, 17, zurückgekommen. Die hat sie sich vor ein paar Monaten deshalb als Partnerin ausgesucht, weil sie schon einmal ein Doppel gegen die Russin verloren hat und fand, das sei eine verdammt gute Partnerin. Sie ergänzen sich gut: Kusnetsowa knallt von der Grundlinie munter drauflos, wie die meisten der Jungen, Navratilova räumt am Netz ab – das passt prima zusammen. Das erste Spiel gewannen sie, im zweiten stehen ihre Chancen nicht schlecht, aber im dritten folgt dann vermutlich die Probe aufs Exempel: gegen Venus und Serena Williams. Nach dem Sieg vor zwei Wochen in Brisbane – es war der 167. Doppelsieg ihrer Karriere – hat Martina Navratilova gesagt: „An einem guten Tag können wir alle schlagen.“ Wer sie kennt, weiß: Sie meint, was sie sagt. Vor allem, wenn es, wie nach dem ersten Auftritt in Melbourne, um Versäumnisse der WTA-Tour geht, die das Frauentennis organisiert, um ihre Bereitschaft, sich künftig auf administrativer Ebene stärker zu engagieren, und um Fehler, die sie immer wieder sieht und beklagt. Sie wird nicht müde, ihre Vorschläge zu wiederholen, weil sie weiß, wie viel Gewicht ihre Stimme hat.

Noch hat sie anderes vor: Sie will gewinnen. Wenn sie es sich aussuchen könnte, hätte sie es am liebsten, wenn die Leute deshalb zu ihren Spielen kämen – und nicht, weil sie 46 ist und mit einer 17-Jährigen spielt. Sie sagt, wenn Siege außerhalb ihrer Reichweite lägen, wäre sie nicht zurückgekommen.

Der Franzose Jean Borotra, einer der berühmten Vier Musketiere, hat in Wimbledon Doppel gespielt, bis er 66 Jahre alt war. Für Borotra war das Spiel das Ziel, für Navratilova ist es der Sieg. Immer noch.