Sensible Gäste

Wegrennende Gedanken

Die beiden Puschel waren an einem Samstag gekommen. Bis herauskam, dass es sich um Jungs handelte, waren es Mädchen gewesen. Sie lebten in einem großen Käfig in zwei Häuschen. Das eine war aus Holz mit sorgfältig ausgesägter Tür und Fenster, das andere war nur ein Pappkarton. Um Platz für ihren Käfig zu schaffen, hatte ich meinen Abendschreibtisch so verrückt, dass er nicht mehr zu benutzen war.

Ich lernte ihre Gewohnheiten kennen und was sie gerne mochten. Auf dem Friedhof sammelte ich Löwenzahn. Das Trockenfutter aßen sie so gierig, dass es schon nicht mehr feierlich war. Da war so was drin, wie in den meisten Chips oder im Kokain, das macht, dass man immer mehr haben möchte.

Ihre Präsenz war ganz erstaunlich und machte es zum Beispiel unmöglich, Playstation zu spielen. An manchen Tagen waren sie munter, an anderen scheu und manchmal fast panisch. Ich war dann gleich umgezogen und nur wenige Minuten am Tag aufgetaucht, um ihnen Futter zu geben und meinen Pflanzen Wasser. Ich bemühte mich, sie nicht spüren zu lassen, dass sie mir nicht recht gelegen gekommen waren, aber sie spürten das wohl; die Nervosität, mit der ich – auch nachdem ich wieder zurückgezogen war – immer wieder an ihnen vorbeiging oder stehen blieb, oft ohne eine klare Aktion, wie Streicheln oder Füttern, sie nur anguckte und mit ihnen sprach bzw. in ihrer Anwesenheit dialogisch so vor mich hin formulierte.

Aber es war ja auch nicht einfach, eine gemeinsame Sprache zu finden, und ich hoffe, dass sie das jetzt nicht lesen. Die Sätze, die im Kopf entstehen, wenn ich an sie denke, verästeln sich und sind wie die lieben kleinen Meerschweinchen, die immer gleich wegrannten, wenn man ihnen zu nahe kam. DETLEF KUHLBRODT