Sparen, bis die Scheune platzt

Politik will der Steueroase Norderfriedrichskoog den Geldhahn zudrehen. 400 Firmen von E.ON bis Beate Uhse haben sich mittlerweile hier niedergelassen

Seit 1907 erhebt die 47-Seelen-Gemeinde Norderfriedrichskoog (Kreis Nordfriesland) an der Westküste keine Steuern und erhält deswegen auch keine Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich des Landes. Dennoch hat die Gemeinde keine Schulden: Denn zahlreiche prominente Firmen haben sich aufgrund der Steuervorteile im Örtchen niedergelassen und zahlen an die vermietenden EinwohnerInnen kräftige Miete für jede verfügbare Scheune. Doch die Zeit für die Steueroase scheint abzulaufen: Sowohl Bundestag wie Bundesrat wollen dafür sorgen, dass Großunternehmen die Flucht in die steuerfreie Gemeinde verschlossen wird.

„Eine dramatische Verschärfung“ der Steuerproblematik hat Schleswig-Holsteins Finanzminister Claus Möller (SPD) ausgemacht: Seit der Unternehmenssteuerreform 2000 boomte Norderfriedrichskoog. Gleich reihenweise gründeten Firmen – von Unilever über Deutsche Bank bis E.ON – Zweigniederlassungen. Möller: „Da ist fast jede Scheune voll.“ Über 400 Unternehmen sind es bis heute, die für ausgewiesene, aber nicht gezahlte Gewerbesteuer sogar noch Erstattungen erhalten.

Die Gemeinde hat sich bisher noch nicht entschlossen, wie sie auf den Druck aus der Politik reagieren soll. Nur eines steht für Bürgermeister Hinrich Thiesen fest: Wenn die Gemeinde jetzt doch einen Gewerbesteuersatz einführt, dann dürfe sie auf keinen Fall schlechter als vorher gestellt sein. Möller selbst will in den nächsten Wochen nach Norderfriedrichskoog fahren, um die Gemeindeversammlung – bei 47 Einwohnern eine Vollversammlung – zu überzeugen.

Allerdings hält der Kieler Finanzminister eine bundeseinheitliche Regelung für besonders wichtig, denn schon meldet sich die Gemeinde Freudenberg in der Nähe Berlins als „Norderfriedrichskoog II“ mit der Information, „dass die Gemeinde zum Zwecke der Ansiedlung neuer Unternehmen beschlossen hat, ihren Gewerbesteuersatz langfristig auf 20 Prozent abzusenken“. VOLKER MIENKUS