„Wir lassen uns die Butter auf der Stulle“

Die junge Berliner Modedesignerin Betty Bund zeigt auf der Bread & Butter ihre Spezialitäten: Hosen, Hosen, Hosen, mit Bündchen und ohne. Von allen Hauptstädtern können sich nur die Friedrichshainer richtig anziehen, findet sie

taz: Frau Bund, finden Sie die Berliner modisch?

Betty Bund: Überhaupt nicht! Na ja, das ist jetzt gemein, aber mal ganz ehrlich: Wenn man nach Amsterdam schaut, da drehen die Leute noch ganz anders durch. Und hier, in einer Dreieinhalb-Millionen-Stadt, noch dazu ein Hauptstadtprodukt, gibt’s jede Menge Fashion-Victims, die den Trends hinterherrennen. Es gibt kaum extrem gut gekleidete Menschen, die mit ihren Klamotten ihre Persönlichkeit unterstützen wollen. Die wirken alle verkleidet.

Sie haben Amsterdam erwähnt – jede Stadt hat ja ihren Stil. Aber was ist typisch Berliner Mode?

Punkrock. Wie Berlin halt eben ist: Low-Budget, das finde ich aber ganz gut. Die Leute wollen zwar das besondere Teil haben, versuchen aber gleichzeitig, ihr Geld zusammenzuhalten. Das hängt schon damit zusammen, dass Berlin einfach kein Geld hat. Das wirkt sich natürlich auf die Bekleidung aus, auf den Style. Und hier wird ganz gerne gemixt, das heißt zum Beispiel: eine gute Hose von Betty Bund und ein T-Shirt von H&M.

Gibt’s auch Stilunterschiede in den einzelnen Bezirken?

Doch, schon. Friedrichshain ist wirklich Low-Budget und Secondhand, aber dabei sehr kreativ – und auch ein bisschen Rock ’n’ Roll. Prenzlauer Berg ist sehr fashionlastig. Da sehe ich sehr viele Eighties. Mitte auch: eindeutig Eighties, ist auch sehr trendy, wie der Bezirk.

Und Kreuzberg?

Na ja, Kreuzberg ist einfach echt Kreuzberg. Was soll ich sagen, hängen geblieben klingt gemein, Kreuzberg ist einfach beruhigt, ein bisschen entspannter. In Schöneberg gibt’s die Fashion-Schwulen-Klientel, was auch sehr speziell ist. Charlottenburg ist für mich ehrlich gesagt ziemlich langweilig: gekauft, angezogen. Friedrichshain ist am sympathischsten, weil die wirklich kreativ sind, aus dem Herzen raus. Das sieht man in den Clubs, in den Bars. Die Typen, die da in den Klamotten stecken, wirken echt, unverkleidet.

Klingt alles in allem nicht sehr begeistert. In welchen Bereichen bräuchten die Berliner denn Nachhilfeunterricht?

Da kann ich nur ein Statement abgeben: Leute, zieht euch so an, wie ihr wirklich seid. Eindeutig zu viel ist, was mit den ganzen Prints und Customized zu tun hat. Es ist eine totale Verarschung, wenn irgendwelche T-Shirts zerschnitten werden. Das kann man echt zu Hause machen. Man muss nicht 100 Euro für ’n T-Shirt ausgeben, wo ’ne Niete reingeballert wurde. So was ist komplett, komplett überflüssig.

Diese Achtzigerjahre-Schwemme wurde ja von den großen Modeketten sofort aufgegriffen. Gilt der Kampfgeist der kleinen Labels eher den Ketten oder bekriegt man sich untereinander?

Kampf unter uns? Überhaupt nicht. Das hat sich in den letzten Jahren Gott sei Dank geändert. Wir sprechen ganz offen miteinander. Wie sind eure Umsätze, wie läuft es bei dir? Da nimmt keiner dem anderen die Butter von der Stulle. Wenn ich von einem Label nicht so überzeugt bin, halte ich meinen Mund, andere empfehle ich weiter. Und die Ketten nerven natürlich, da sind wir Designer alle einer Meinung. Ich sag dann nur, okay, jetzt erst recht, ich mache jetzt eine andere Schmalspur und drehe mich um.

Und welche Mode wird jetzt kommen?

Ein echtes Fragezeichen. Ich schätze mal, die Industrie macht noch ihre Achtzigerwelle weiter. Ich persönlich sage: Wir sind im Jahr 2003 und wir kriegen auf jeden Fall wieder eine Future-Welle. Der ganze Acid-Trend wird wieder kommen. Bunt und klar und futuristisch.

INTERVIEW: ANNE HAEMING