„Der Oppositionsführer bin ich“

Der neue SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer im taz-Interview: Den Bürgermeister stellen, Perspektiven gegen die Ellenbogengesellschaft von Schwarz-Schill entwickeln und die SPD wieder zur stärksten Partei in Hamburg machen

Interview: PETER AHRENS und SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Muss Schwarz-Schill, muss Bürgermeister Ole von Beust sich jetzt warm anziehen, weil mit Ihnen als neuem SPD-Fraktionschef heftigerer Gegenwind durch die Bürgerschaft ziehen wird?

Walter Zuckerer: Ja. Schließlich ist es die wichtigste Aufgabe des Oppositionsführers, die Regierung zu stellen. Ich bin der direkte Gegenspieler des Bürgermeisters, und das wird auch deutlich werden. Mein Ziel ist es, meine Fraktion zur besten Opposition zu machen, die es in Hamburg je gegeben hat.

Da muss sich aber noch ziemlich viel tun. Mit welchen Schwerpunkten wollen Sie das schaffen?

Die Hauptfrage, mit der wir uns auseinander setzen müssen, ist: Wie wird Hamburg im Jahr 2005 aussehen? Wird es auch in schwierigen Zeiten eine liberale und soziale Stadt sein, oder werden wir eine Ellenbogengesellschaft und weniger staatliche Dienstleistungen für alle haben? Diese Regierung macht auf Kostendämpfungsgesellschaft. Das ist zu wenig. Wir müssen über die Zukunftsperspektiven streiten.

Dieser Senat hat kein Konzept, Menschen mit unterschiedlichen Lebenslagen, Lebensvorstellungen und unterschiedlichen sozialen Problemen zu integrieren. Wir dagegen wollen, dass Hamburg eine soziale und familienfreundliche Stadt, in der alle ihren Platz finden können, ist.

Und Innere Sicherheit, womit die SPD nun schon bei zwei Wahlen auf die Nase gefallen ist?

Innere Sicherheit muss in der Stadt gewährleistet sein, damit die Menschen ohne Angst leben können. In der Innenpolitik haben wir aus früheren Fehlern gelernt und uns bereits neu aufgestellt. Diesen Kurs werden wir fortsetzen und weiter entwickeln. Er wird das Thema des nächsten Landesparteitages im April sein.

Die SPD hat sich bisher als Opposition eher schwer damit getan, Schwarz-Schill zu stellen. Wie wird die künftige Strategie sein: Ankuscheln oder Draufhauen?

Ich finde, wir haben zum Beispiel den Senatoren Schill und Lange schon einigen Druck gemacht. Das hat bei beiden auch deutliche Spuren hinterlassen, sehen Sie nur auf ihre miserablen Umfragewerte. Aber richtig ist auch: Wir müssen noch viel besser werden. Wir werden uns auf die Fragen konzentrieren, die für die Bürger wichtig sind.

Zum Beispiel wollen wir, dass Hamburg das beste Bildungssystem der Republik hat, auch wenn es schwer wird, das in finanziell schwierigen Zeiten zu realisieren. Wir werden auch langfristig und strategisch gegen die Regierung argumentieren und die besseren Vorschläge machen.

Und welches Personal soll das machen? Außer Ihnen und Parteichef Olaf Scholz ist da nicht viel.

Das sehe ich ganz anders. Jedes Senatsmitglied wird künftig einen Gegenspieler aus der Fraktion bekommen. So, wie es teilweise jetzt schon funktioniert. Michael Neumann ist ein kompetenter Gegenspieler für Innensenator Schill, Britta Ernst setzt jetzt schon Bildungssenator Lange ziemlich unter Druck, Holger Christier ist eine exzellente Alternative zu Frau Horáková, um nur einige zu nennen. Wir haben genügend Potenzial, um unsere Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen.

Unter den 15.000 SPD-Mitgliedern in Hamburg gibt es genügend Menschen, die fähig sind, ein politisches Amt zu übernehmen. Darüber hinaus haben wir auch Persönlichkeiten in Hamburg außerhalb unserer Partei, die ein Senatsamt unter Führung der SPD übernehmen würden. Es gibt kein Personalproblem.

Und wie sieht das mit dem Führungsproblem aus? Ist der Fraktionsvorsitzende Walter Zuckerer auch ein Kandidat für das Amt des Bürgermeisters?

Meine Aufgabe ist es, die SPD-Fraktion zum Erfolg zu führen. Danach ist alles möglich.

Wenn Sie kandidieren, hieße das automatisch, dass Olaf Scholz verzichten müsste. Wer ist denn nun Oppositionsführer: Weiterhin er oder künftig Sie?

Olaf Scholz ist Generalsekretär der Bundespartei, das ist zurzeit vielleicht der schwierigste politische Job in der Republik. Als Landesvorsitzender ist er für die strategische Linie der Partei zuständig. Aufgabe der Fraktion ist das tägliche politische Geschäft, die direkte Auseinandersetzung mit der Regierung. Daraus ergibt sich logisch: Der SPD-Fraktionsvorsitzende ist der Oppositionsführer. Und das bin ich.

GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch hat nach dem Rücktritt Ihres Vorgängers Uwe Grund der SPD gegenwärtig die Koalitionsfähigkeit abgesprochen ...

Die Aussage von Frau Goetsch halte ich, offen gestanden, für Unsinn. Richtig ist aber: Es gibt in der Opposition keine Koalition, auch keine rot-grüne Gemengelage. Ich stehe für ein klares rotes Profil. Das grüne Profil der GAL ist ihre Angelegenheit. Aber wo Kooperation möglich ist, wird sie stattfinden.

Könnten Sie sich denn überhaupt andere Koalitionspartner für die SPD als die GAL vorstellen?

Wir wollen bei der kommenden Wahl wieder stärkste Partei werden und darüber hinaus deutlich vor der CDU landen. Das ist unser Ziel und nicht eine Koalition. Koalitionen werden nicht drei Jahre vor der Wahl geschmiedet.