Was lachst du, Muslim?

Satirische Verse über die Taliban und Gerhard Schröder: Das Maulhelden-Festival versammelte internationale Wortkunst. Die muslimische Stand-up-Komödiantin Shazia Mirza war vorab zum Star erklärt worden – und wirkte auf der Bühne etwas verloren

von DANIEL BAX

Sie war gewarnt worden. „Sie sind also diese berühmte muslimische Komikerin?“, fragte sie ein deutscher Passant kurz nach ihrer Ankunft in Berlin. Er hatte Shazia Mirza auf der Straße erkannt, von ihrem Bild auf einem Zeitschriftencover her. Shazia Mirza konnte diese Frage natürlich nur bejahen. „Na, hoffentlich halten Sie auch, was Sie versprechen“, soll er daraufhin fast drohend gesagt haben: „You better be funny!“

Diese Anekdote fiel der Stand-up-Komödiantin aus London wieder ein, als Sie zum Auftakt des Maulhelden-Festivals auf der Bühne des Berliner Tempodroms stand. Sie passte ja auch zu dem Bild, das man in Großbritannien von den ernsten und strengen Deutschen hat. Und offensichtlich war sie wirklich etwas eingeschüchtert: sei es angesichts der imposanten Kulisse des mit mehreren Hundertschaften Vergnügungssuchender gut gefüllten Hallenrunds, sei es wegen der abwartenden Ruhe im Publikum und den ausbleibenden Reaktionen auf ihre (teilweise sehr britischen) Gags. So trug sie mehr fahrig als pointiert ihr Programm vor, von dem in deutschen Medien schon so viel zu lesen gewesen war – in der taz, im Tip, im Stern und am Samstag sogar auf der ersten Seite der Berliner Zeitung.

Nicht wenige dürften vor allem ihretwegen den Weg zu Berlins größtem Kleinkunst-Festival gefunden haben. Doch so recht wollte „Allahs Humorwaffe“ (Tip) nicht zünden. Und das, obwohl sie neben jenen Pilotenschein-und Tschador-Scherzen, die vorab schon allenthalben zitiert worden waren, durchaus noch ein paar Pointen mehr aus ihrem schulterlangen Kopftuch zu schütteln wusste.

Dass die hohen Erwartungen, die im Vorfeld geschürt worden waren, dennoch ein wenig enttäuscht wurden, lag nicht daran, dass manche ihrer Taliban-Witze einen Bart hätten (ha, ha), sondern eher daran, dass auf der riesigen Bühne des Tempodroms die Spontaneität der Stand-up-Comedy im Wechselspiel mit dem Publikum nur schwer zu erreichen ist, zumal in einer fremden Sprache. So schien Shazia Mirza fast erleichtert, als sie nach nur einer knappen Viertelstunde wieder von der Bühne sprinten durfte: „Mein Vater kommt mich gleich abholen. Er denkt, das hier wäre eine Bibliothek.“

Leichter hatten es da jene, die in deutscher Sprache und mit eingeübten Programmen routiniert vors Auditorium traten. Reiner Kröhnert etwa, der mit seinen stimmgetreuen Politiker-Parodien eine komplette Talk-im-Turm-Sendung nachzustellen verstand und der Gerhard Schröders satanische Seite offenbarte. Gaby Deckert, die sowohl in der Rolle als brachiale Berliner Politesse als auch als maliziöse Vizechefin einer großen Werbeagentur geläufige Prototypen des Weiblichen gekonnt überzeichnete. Oder Bülent Ceylan aus Mannheim, der als Bettenverkäufer, als Schwimmbad-Papagallo, ja selbst als athritisch gebeugter Papst auf ganzer Linie überzeugte.

Dass der Papst noch immer für einen Witz gut ist, ist ein mögliches Fazit des ersten Maulhelden-Wochenendes. Ein anderes, dass Humor noch immer eine sehr lokale Angelegenheit ist. Das zeigten nicht nur die häufigen Anspielungen auf Angela Merkels Frisur, mit denen man als Kabarettist in Deutschland – aber eben nur hier – offenbar stets auf der sicheren Seite ist, oder der gern geübte Rückgriff auf Dialekte. Darauf deutet auch der hohe Anteil der Lokalgrößen hin, vom Club der polnischen Versager bis zu Funny van Dannen, die das Gipfeltreffen der überwiegend deutschen Humorarbeiter auf eine gänzlich regionale Basis stellen. Fast wie ein Familientreffen wirkte das Ganze dabei aus Sicht der taz, gab es doch schon am ersten Wochenende neben Ralf Sotschek, Françoise Cactus und Mathias Bröckers noch eine ganze Reihe mehr Autoren zu sehen und hören, die in der einen oder anderen Weise dem Haus verbunden sind.

Für eine Veranstaltung wie das Maulhelden-Festival, das einen Anspruch der Internationalität erhebt, stellt diese kulturelle Sprach- und Lachbarriere allerdings ein ernsthaftes Problem dar. Ein anderes ist der stetige Zwang, mit etwas völlig Neuem und Einzigartigem glänzen zu wollen, wo sich doch auch das Humorgeschäft meist in relativ eingefahrenen und bewährten Bahnen bewegt.

Nachdem Migranten-Comedy allein schon keine Neuigkeit mehr ist, mag es verständlich gewesen sein, nun Shazia Mirza zum next big thing auszurufen – zumal sich die vielen neuen deutschtürkischen Comedy-Stars ja überwiegend um das Tabuthema Religion herumdrücken und sie mit ihren Muslim-Jokes wirklich einen neuen Ton gefunden hat. Dennoch konnte man sich nicht des Eindrucks erwehren, als wäre ihr erster Auftritt in Berlin zu früh gekommen. Hoffentlich kommt sie nächstes Jahr wieder.

Am 24. und 25. Januar mit Jörg Knör, Dieter Nuhr und Sissi Perlinger. Tempodrom, Möckernstraße 10, ab 19 Uhr