montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens
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In Berlin Mitte werden jetzt freie Suppenküchen errichtet. Die ehedem von Bankern, Brokern und Bagelessern bevölkerte Trendmeile der Hauptstadt rüstet sich für das hippste Ereignis des Jahres, den Irakkrieg. Die einen sind angekommen, die anderen kommen wieder. Modemacher kochen für Friedensbewegte, Webdesigner für Peaceniks, Werbeconsultants für Pazifisten. Ein Hauch von Verbrüderung zieht durch die Straßen, Schluchten und Schlagadern der Szene. Generation Böll trifft Generation Golf: Essen für den Frieden. Kochen für den Irak. Öl für die Suppe. Auch 1968, als ich leider noch zu den Linken gehörte, waren wir für den Frieden. Ich habe daraus gelernt und die Flucht nach vorn angetreten. „Ein warmer Gedanke entsteht nicht aus einer kalten Suppe“, erklärte Adorno in den Sechzigerjahren. Heute ist es umgekehrt. Das Beste am Westen, der weiche Kern der politischen Kultur, wird zur Angriffsfläche des Feindes, zum „Target“ eines Diktators. Dem die Friedenssuppe schmeckt.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.