Tristes Malochen in der Südsee

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden 1,6 Millionen Inder als Plantagenarbeiter in Afrika, der Karibik und der Südsee angeworben. Die Kolonial-Eliten benutzten sie als Puffer, um den Hass der Einheimischen von sich abzulenken

„Kala Pani“ heißt das Meer in rituellen Hindu-Texten. Wer das „Schwarze Wasser“ überquerte, besudelte sich mit dem Fremden und verlor seine Kastenzugehörigkeit. Sie war nur durch Waschung mit Ganges-Wasser wiederzugewinnen, und bis tief ins 20. Jahrhundert gehörten zum Gepäck brahmanischer Europareisender große Wasserbehälter mit der desinfizierenden Flüssigkeit. Die Globalisierung von Verkehr und Handel – und die Gewichtsbeschränkungen der Fluglinien – haben diesem Brauch ein Ende gemacht, genauso, wie sie die Inder zum migrationsfreudigsten Volk der Welt gemacht haben.

Für die Armen und unteren Kasten hatte allerdings schon eine frühere Globalisierungswelle, der koloniale Menschenhandel, die Schranken des Kala Pani beseitigt. Als das englische Parlament 1834 den Sklavenhandel aufhob, begann die East India Company mit einer neuen Form von Export. Eine Reihe von Gesetzen förderte die Anwerbung von Indern für die Plantagen der Kolonien. Ganze Landstriche wurden entvölkert, und bis zum Ende des 19.Jahrhunderts ließen sich 1,6 Millionen Inder nach Mauritius, Jamaika, Surinam, Kenia, Uganda, Birma und in die Südsee verfrachten.

Die Plantagenarbeiter hatten befristete Arbeitsverträge, in Wahrheit besaßen sie jedoch wenig Chancen zur Rückkehr. Die Kolonial-Eliten benutzten die Einwanderer als nützlichen sozialen Cordon sanitaire, der sie von der Bevölkerung und den ehemaligen Sklaven abschottete. Deren Hass auf die Befehlshaber ließ sich so zugleich günstig auf die „Compradore“-Klasse der Vertragsarbeiter umlenken.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs löste eine neue Migrationsbewegung aus. Der Kolonialismus hatte die Teilung der Welt in Arm und Reich zementiert. Dieses ökonomische Gefälle produzierte einen noch stärkeren Sog in die Metropolen, namentlich innerhalb des Commonwealth und in die USA. Indien wurde ein zweites Mal zum klassischen Auswandererland, dank seiner großen Zahl von Armen, der schwachen staatlichen Institutionen und seiner englischsprachigen und englisch denkenden Eliten.

Besonders die USA erkannten die Chance, die eigene Konkurrenzfähigkeit mit billigen indischen Intelligenzarbeitern zu verbessern. Ein Gesetz von 1926, das die Einwanderung aus Indien strengen Beschränkungen unterworfen hatte, wurde 1965 aufgehoben. Heute stellen Inder nach Mexikanern das größte Kontingent von USA-Emigranten. BERNARD IMHASLY