Polnische Kühe nie mehr einsam

Nach EU-Erweiterung droht Millionen von Kleinbauern in Osteuropa das Aus. Dennoch stimmt polnische Regierung gemeinsam mit der Agrarindustrie für eine Übernahme des derzeitigen Subventionssystems – gegen den Willen von EU-Kommissar Fischler

von HANNA GERSMANN

Agrarreform jetzt oder nie, wird sich EU-Kommissar Franz Fischler am Wochenende gedacht haben: Beim 10. Ost-West-Forum auf der Berliner Grünen Woche trat etwa Polen dafür ein, weiterhin die Bauern zu fördern, die viel Milch, Fleisch oder Getreide produzieren. Schon im Klub der jetzigen 15 EU-Mitglieder umstritten, hätten Fischlers Pläne, die rund 40 Milliarden Euro Agrarsubventionen pro Jahr zumindest langsam in neue Bahnen zu lenken, nach der Osterweiterung keine Chance.

Die so genannten „Direktbeihilfen werden Polen gut tun,“ beharrte Landwirtschaftsminister Jaroslaw Kalinowski am Samstag – und vertritt damit eine Position, von der vor allem die Großen profitieren. Dabei leben derzeit rund 30 Prozent der Polen von der Landwirtschaft, und viele davon haben gerade mal zwei Milchkühe. Schon bald werden sie aufgeben müssen. Vom polnischen Agrarestablishment ist das so gewollt. Ansonsten hätte die polnische Regierung wohl kaum das Angebot der EU-Kommission abgelehnt, jedem der eine Million Bauern tausend Euro zu zahlen. „Millionen von Arbeitsplätze werden wegfallen“, sagt Georg Dürr von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die die Beitrittskandidaten berät.

Schon heute sind die Konzentrationsprozesse – weg von der bäuerlichen Landwirtschaft, hin zur Agrarindustrie – in vollem Gange. So erzählt die Besitzerin einer polnischen Molkerei: „Noch vor vier Jahren haben uns 4.500 Bauern die Milch geliefert, heute sind es noch 1.500; 900 streben wir an. Die Menge aber ist um 20 Prozent gestiegen.“ Dabei hatte die Europäische Kommission für die Beitrittskandaten extra ein Programm ins Leben gerufen, um den ländlichen Raum zu stärken – ohne Erfolg. Unter anderem weil die Landwirte zunächst einmal selbst Geld mitbringen müssen, um aus dem EU-Topf Mittel beantragen zu dürfen. Einen Kredit aber erhalten Kleinbauern in Polen nur selten. Und Genossenschaften als eine mögliche Betriebsform seien eher unbeliebt, erzählt Dürr. Zu sehr sei noch immer die ehemalige Zwangskollektivierung im Gedächtnis. Hinzu kommen verwaltungstechnische Probleme. So berichtete der ungarische Landwirtschaftsminister Imre Németh am Samstag, Mittel aus 2001 könnten erst jetzt ausgezahlt werden.

Während so das Geld bei den Kleinbauern nicht ankommt, rollen die Agrarmultis an. „Die ganzen Großbauern aus Deutschland oder den Niederlanden waren doch schon da“, schimpft Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Europaparlamentarier. Längst hat auch die Nahrungsmittelindustrie, etwa Danone in Polen, die Beitrittskandidaten für sich entdeckt.

Die Großbetriebe dürfen sich aber auch hierzulande freuen. Auf der Grünen Woche bestätigte Fischler, dass er die Subventionen nicht mehr bei 300.000 Euro kappen will. Darauf drängten vor allem die großen Betriebe in Ostdeutschland. Renate Künast will ihre jetzigen 15 Kollegen davon überzeugen, die Subventionen an Arbeitsplätze zu koppeln. Aber selbst das dürfte schwer werden. Dennoch schreckt auch der wachsende Einfluss der Agrarlobby nach der Osterweiterung die Ministerin nicht: „Ich habe keine Angst vor der Agrarlobby im Klub der 25“, sagte sie der taz: „Da muss man sich eben strategisch nach und nach durchfräsen.“