Sarrazin lockert Daumenschraube

Finanzverwaltung gibt rund eine Million Euro für Jugendarbeit frei. Demos gehen weiter

Eine erste gute Nachricht konnten der Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, Uwe Klett (PDS), und Jugendstadträtin Manuela Schmidt (parteilos) gestern in Marzahn auf einer Pressekonferenz verkünden: Mit der Finanzverwaltung hatte man sich auf die Entsperrung von rund einer Million Euro für die Kinder- und Jugendarbeit des Bezirks einigen können. Weitere Gespräche sollten am Nachmittag folgen.

Klett verteidigte die Mehrausgaben der vergangenen Jahre. Sie seien eine von allen Parteien gestützte „politische Grundsatzentscheidung“ gewesen, mit der man auf die Gegebenheiten vor Ort reagiert habe. „Wir wollen den Senat nicht ärgern – dafür ist die Sache zu ernst.“ Die Prioritäten für die Verteilung des freigegebenen Geldes seien bereits festgelegt, mit Konsequenzen für Programme am Ende der Liste: „Was da hinten steht, wird keinen Bestand haben.“ Marzahn-Hellersdorf sei zudem ein „Experimentierfeld“ für zu erwartende Probleme anderer Bezirke und erwarte keine Sonderbehandlung: „Wir wollen keine Lex Marzahn-Hellersdorf.“ Jugendstadträtin Manuela Schmidt lobte den „breiten politischen Konsens für eine präventive Jugendarbeit“ in dem Problembezirk: „Früher hat man den Bezirk für einen zukünftigen Slum gehalten – davon ist heute keine Rede mehr“, so Schmidt.

Beide Politiker zeigten sich für die anstehenden Verhandlungen vorsichtig zuversichtlich. Das Einlenken der Finanzverwaltung sei zwar „schwierig zu interpretieren“, so Klett. Trotzdem gehe er „von einer verantwortungsvollen Entscheidung aus“ und habe „Hoffnung auf einen Kompromiss“. Auch Schmidt erwartete eine Einigung. Dabei müsse es eine deutliche Ausweitung der Mittel geben, sei doch präventive Sozialarbeit ein adäquates Mittel, um spätere Kosten zu vermeiden.

Diese langfristige Wirkung betonten auch mehrere betroffene Sozialarbeiter und warfen dem Senat Perspektivlosigkeit vor: „Ich sehe nicht, wohin diese Stadt eigentlich will – alles fällt nur noch unter einen diffusen Sparhammer“, so eine Jugendarbeiterin. Annemone Liewald von dem Organisations-Netzwerk Plattenverbund e. V. beklagte, dass die Sozialarbeit unverschuldet Opfer der Sparpolitik sei: „Warum baden wir Gesamtberliner Probleme aus?“ In der Sozialarbeit würden keine Gelder verschwendet: „Wenn wir schon selber das Toilettenpapier mitbringen – bei uns liegt das Problem nicht“, so Liewald.

Eine am Montagnachmittag bereits zum zweiten Mal in Marzahn stattfindende Demonstration wurde von Liewald im Anschluss als „klarer Erfolg“ gewertet. Einige hundert Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche, hätten sich beteiligt. Ungeachtet des ersten Verhandlungserfolges sei für kommenden Montag eine Wiederholung geplant: „Die Frage ist, ob die Verantwortlichen das hören wollen.“ FABIAN GRABOWSKY