der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… macht sich mopsig. Sein Gesicht zeigt er in fast jeder Talkshow, halbheiraten darf er, gar auf dem Standesamt, selbst in mancher Kirche. Und große Bürgermeister wie die in Paris oder Berlin stellen ihr kleines Privatleben aus, als sei es gar kein schmutziges Geheimnis. Einfach frech!

Doch das Rollback läuft an, gerät in Fahrt. Verhalten noch, wie im Oktober 2002 im Feuilleton der Berliner Zeitung. Da empörte sich der renommierte DDR-Theaterkritiker Ernst Schumacher über das schwule Coming-out des Berliner Gorki-Theaters. Da wurde ein schwules Stück uraufgeführt, und das auch noch, so der „bekennende Heterosexuelle“, am historischen Doppel-Datum: „ausgerechnet am Vorabend des Tages der deutschen Einheit“ und als Auftakt zur 50-Jahr-Feier des Theaters. „So überraschend wie unpassend“, schrieb Schumacher und gab nichts weiter preis als übles Ressentiment.

Diese kleinen Feuilleton-Spitzen sind nichts gegen die Attacken der homophoben Großen. „Schlägt man einen, trifft man alle“, lautet hier die Order. „Homo-Exzesse im Reichstag“ schrie es vergangene Woche gleich zwei Tage vom Titel der B.Z.: „Gefälschte Hausausweise, Nacktfotos, Besenkammer-Sex“, versprachen die Unterzeilen und hielten doch fast gar nichts. Da hatte ein schwuler Angestellter der Ausweisstelle des Bundestages zwei Kumpels mit an seinen Arbeitsplatz genommen, ihnen aus Daffke Hausausweise gebastelt und Fotos gemacht dafür, auf denen der eine seine Zunge zeigt und der andere fast den halben Oberkörper, nicht bekleidet. Punkt. Das – so die B.Z. – erinnere an „Schmuddeleien aus dem englischen Königshaus“, und die Homo-Ausweisfälscher hätten, legte das Schmuddelblatt nahe, sich Zugang verschaffen können in „sicherheitssensible Bereiche“, gar „unmittelbar in die Nähe von Spitzenpolitikern“. Wenn schon rufmorden, dann richtig: Es geht nicht nur um megapornografische Fotos, sondern Terrorismusgefahr ist im Verzug, aus dem Homo-Milieu, quasi von hinten.

Was die vom Boulevard können, machen die Seriösen besser, subtile Schwulenklischees für den akademischen Mittelstand, mit recherchierten Facts und hochemotionaler Reportage. Fünf ganze Seiten war dem Spiegel der Knüller wert über „Das öffentliche Geheimnis“, der Geschichte eines Lehrers aus Uelzen, der seine jugendlichen Schüler mit Pornos versorgte, um sie heimlich beim Onanieren zu filmen. Als das publik wurde, nahm sich der Mann das Leben. Doch der Spiegel bleibt dran, schließlich schaute eine ganze Stadt zu dabei, selbst wenn einzelne Bürger das Rechte sagen: „Wenn ich mir vorstelle: ein Mann mit einem Mann – da könnte ich mich schütteln.“ So wird der ewige Kinderverführer am Leben gehalten, und die Provinzler werden angeprangert, weil sie ihn nicht aufgehängt haben oder aus ihren Mauern verjagt.

Nicht repräsentabel, eine Gefahr für den Staat und jederzeit zum sexuellen Übergriff bereit – der homosexuelle Mann wird nicht entlassen aus dem Vorurteil. Die Klischees werden generalüberholt und auf den aktuellen Stand gebracht. Ihre Dienste werden noch gebraucht.