Einmarsch in „Londonistan“

Britische Polizei stürmt Londoner Moschee Finsbury Park, Hochburg radikaler Islamisten unter dem Prediger Abu Hamza. Die Ausweitung der Anti-Terror-Operationen trifft ausländische Islamisten, die einst als Asylsuchende eingereist waren

von DOMINIC JOHNSON

Sie kamen gegen halb drei Uhr morgens mit Hubschraubern und Rammböcken. 150 Polizisten waren am Sturm auf die Moschee Finsbury Park im Norden Londons beteiligt, die größte Anti-Terror-Operation in Großbritannien seit dem 11. September 2001. Zwei Hubschrauber richteten Scheinwerfer auf das dreistöckige Gebäude um die Ecke vom Highbury-Stadion des Fußballvereins Arsenal; Beamte stiegen über Leitern in den zweiten Stock, während andere die Vordertür aufbrachen. Ein Augenzeuge sagte gestern der Londoner Abendzeitung Evening Standard: „Es war wie im Film, mit Polizisten, die aus jeder Seitenstraße kamen.“

In der Islamistenhochburg wurden Akten und Computer beschlagnahmt und sieben Menschen festgenommen – sechs Nordafrikaner und ein Osteuropäer. Es gebe „Verbindungen zwischen diesem Ort und terroristischer Aktivität“, erklärte die Polizei. Die Operation richtete sich „nicht gegen die Moschee an sich oder die vielen Menschen, die da regelmäßig beten, sondern gegen bestimmte Individuen, die aus dem Gebäude heraus mutmaßliche terroristische Aktivitäten unterstützen oder unternehmen“. Sakrale Räume hätten die Beamten nicht betreten.

Die Polizei brachte die Aktion explizit in Verbindung mit der Entdeckung eines mutmaßlichen Herstellungslabors für den biologischen Kampfstoff Rizin im nahen Stadtviertel Wood Green am 5. Januar. Seitdem ist in Großbritannien eine groß angelegte Anti-Terror-Operation im Gange, bei der bereits ein Polizist ums Leben kam. Dass die Moschee von Finsbury Park ins Visier der Polizei geraten würde, war nur eine Frage der Zeit. Ihren führenden Prediger „Abu Hamza“, mit richtigem Namen Mustafa Kamel Mustafa, hatten britische Behörden schon mehrfach in Verbindung mit bewaffneten islamistischen Gruppen im Nahen Osten und auch mit al-Qaida gebracht.

Der 44-jährige gebürtige Ägypter kämpfte in den 80er-Jahren in Afghanistan gegen die sowjetische Besatzung und verlor dabei beide Hände und ein Auge. Seit 1979 lebt er in Großbritannien. Dank einer kurzen Ehe mit einer Engländerin ist er Brite, sodass er nicht ausgewiesen werden kann. Aber sein Pass ist eingezogen und seine Konten, sagt er, sind gesperrt. Im Dezember erteilte ihm die für gemeinnützige Organisationen zuständige „Charity Commission“ der britischen Regierung Predigerverbot – wegen Missbrauchs seines religiösen Amtes. Es soll in zwei Wochen in Kraft treten.

Die Razzia, so Hamza, sei Teil des „Kriegs“ von Premierminister Tony Blair gegen britische Muslime. Ein Sprecher von Blair sah das gestern anders: „Wir haben es offensichtlich mit einer realen und gegenwärtigen terroristischen Bedrohung zu tun.“ Am Sonntag hatte der Londoner Polizeipräsident Sir John Stevens gesagt, seiner Meinung nach sei al-Qaida nach wie vor in Großbritannien aktiv.

Weil die Polizeiaktionen vor allem Algerier treffen, wächst unter algerischen Flüchtlingen der Unmut. Jahrelang war Großbritannien ein Zufluchtsort für asylsuchende algerische Islamisten, die in Frankreich systematisch wegen Terrorverdacht abgewiesen wurden. „Die Islamisten benutzen Großbritannien als Propagandastützpunkt, würden aber nichts gegen ein Land unternehmen, das sie aufnimmt und ihnen Redefreiheit gewährt“, sagte die arabische Terrorexpertin Camille Tawil im Dezember der Wochenzeitschrift New Statesman. Jetzt sagte ein algerischer Mitarbeiter Abu Hamzas der Sonntagszeitung Observer: „Wir wurden in Algerien verfolgt – jetzt werden wir hier verfolgt. Da ist es explodiert – hier wird das auch passieren.“