berliner szenen Im Watergate

Keiner hat Spaß

Unsere Freunde sind schon eine Stunde vorher losgegangen. Zurück blieben sie und ich. Die anderen dachten, wir würden jetzt Liebe machen. Oder ficken. Wahrscheinlich Letzteres. Das geht nicht. Wir wollen es beide nicht. Nicht wirklich. Es bleibt: Rausgehen, ausgehen, jetzt.

Ein Missverständnis führte uns und unsere Freunde an unterschiedliche Orte. Als das Taxi vor dem Watergate hält, klopft mein Herz vor Freude. Die Tür steht offen. Wir sehen gut aus. Besonders sie. An ihrem Körper ein sehr dünnes Kleid, auf der Vorderseite „Hero“, auf der Rückseite „in“. Ihre Beine lang, unendlich lang. Die dunkle Sonnebrille schenkt mit Sicherheit. Ihr Arm um meine Taille. Ich spüre Glück. Hinter der Tür, hinein ins Warme. Wir sehen unnahbar und mysteriös aus. Die Personen auf der Treppe schenken uns Blicke.

Meine Augen wandern durch den niedrigen Raum kurz über der Wasseroberfläche. Ein schöner Raum. Der Blick zieht automatisch zum schaukelnden Spreewasser. Sicher getrennt durch hohe Glasscheiben. Sie schaut mich an. Ich schaue zurück und weiter. Wie ist die Musik? Der DJ aus dem Ostgut, nicht schlecht. Und die Menschen? Stehen, tanzen, es ist nicht voll. Vor uns drei Frauen. Sie tragen Lederstiefel und Wollpullover, Wolljacken. Stapfen im Takt auf das Holzpodest. Steppen, trampeln, wie auf einer Uniparty. Bewegen sich viel zu schnell. Mir ist schlecht. Der Spaß ist verloren an diesem Ort. Wir schweigen, trinken, rauchen. Suchen Drogen. Es gibt keine. Was sollen wir jetzt tun? Meine Hände sind kalt. Wir gehen. Ihr Gesicht liegt in meinem Schoß. Mein Kopf sucht Halt und findet keinen. Benommen steigen wir aus. Die Wohnung ist leer und kalt. Wir retten uns auf die Couch und schlafen bis zum Morgen. HENNING KOBER