globalisierungskritik weltweit
: Serie zum Weltsozialforum in Porto Alegre, Teil 7

Trotz oder gerade wegen Genua – in Italien ist Globalisierungskritik Teil der Politik

Letztes Jahr war es so, dieses Jahr dürfte es wieder so werden: Die größte europäische Delegation in Porto Alegre wird aus Italien anreisen. Globalisierungskritik ist in Rom, Mailand, Neapel schon lange kein Thema kleiner Minderheiten mehr, und niemand käme hier auf die Idee, die Frage allein mit einer Organisation wie Attac zu identifizieren.

Zum Big Bang der Bewegung wurde vor zwei Jahren der G-8-Gipfel in Genua. Hunderte Organisationen schufen in der monatelangen Vorbereitung des Gegengipfels und der Anti-G-8-Proteste jenes dichte Netzwerk, das die „No Globals“ – wie sie ursprünglich gerufen wurden – zum festen Faktor in der Politik machte. Umweltorganisationen wie Lega Ambiente, der große linke Freizeitverband Arci, die offizielle Metallergewerkschaft Fiom waren genauso dabei wie militante Basisgewerkschaften oder die immer für radikalen Protest guten „Ungehorsamen“ aus den Autonomen Zentren. Aber auch zahlreiche katholische Basisorganisationen, beginnend bei den Pfadfindern, machten die Bewegung schon im Ausgangspunkt zu einer ziemlich bunten Veranstaltung. Und eine komplette Partei stellte sich in ihren Dienst: Rifondazione Comunista mit seinen gut 100.000 Mitgliedern und 5 Prozent Wählern.

Genua schien dann aber auch schon der dramatisch-traumatische Höhe-, ja Schlusspunkt. Wenigstens das breite Bündnis schien den Gewaltgipfel nicht überlebt zu haben – die katholischen Kräfte jedenfalls reagierten mit heftiger Kritik auf die Militanteren, forderten neues Nachdenken über Formen des Protestes und die Fixierung auf spektakuläre Großereignisse.

Doch diejenigen, die die „New Globals“ flott totsagten, hatten sich getäuscht, und auch der erneut angestimmte Abgesang auf die Bewegung nach dem 11. September erwies sich als verfrüht. Das Europäische Sozialforum in Florenz im November letzten Jahres zeigte, dass die Bewegung breiter, nicht schmaler geworden war. Der große Gewerkschaftsbund CGIL etwa klinkte sich massiv in die Globalisierungsdebatte ein, der linke Minderheitsflügel der noch in Genua abseits stehenden Partei der Linksdemokraten diskutierte genauso begeistert mit wie die Jugendorganisation der Partei – und auch der zeitweilige Bruch im Genua-Bündnis erwies sich als geheilt. Die riesige Schlussdemonstration dann mit ihren 800.000 Teilnehmern zeigte, dass die New Globals auch das Trauma von Genua überwunden hatten. Unbeeindruckt von der rund ums ESF hysterisch geführten Vandalendebatte bescherten sie Florenz ein Ereignis, das vollkommen friedlich über die Bühne ging. MICHAEL BRAUN