Eine Wand für Peking

Der Kieler Klaus-Dieter Petersen bestreitet heute bei der Handball-WM sein 301. Spiel für Deutschland. Ein Portrait über den stillen Abwehrrecken

aus Viseu ERIK EGGERS

Es hat nur wenige Monate gedauert, da haben sie Klaus-Dieter Petersen „die Wand“ genannt. Weil fast alles abzuprallen schien an diesem damals gerade einmal 20-jährigen Abwehrspezialisten, der 1989 als Zweitligaspieler zum VfL Gummersbach gewechselt war, dem damals renommiertesten Handballclub der Welt. Weil er sich mit dieser unfassbaren Gleichgültigkeit auf die Angreifer stürzte, scheinbar ohne Rücksicht auf die eigene Physis.

Dass er es auf diese Weise überhaupt auf 14 Profijahre bringen würde, das hat damals kaum jemand für möglich gehalten. Aber er hat es geschafft, und noch mehr: Heute, da die deutsche Nationalmannschaft in ihrem dritten WM-Vorrundenspiel auf Grönland trifft (16.10 Uhr, ZDF), wird er zum 301. Mal für Deutschland auflaufen. Er belegt damit nach der DDR-Legende Frank-Michael Wahl den zweiten Rang in der ewigen Rangliste.

Bundestrainer Heiner Brand kann sich noch lebhaft an den jungen, wilden Petersen erinnern. Er hat ihn damals schon als Vereinstrainer nach Gummersbach geholt. „Deswegen“, sagt Brand, „habe ich eine besondere Beziehung zu seiner Entwicklung.“ Ein Verhältnis fast mit Vater-Sohn-Charakter. Wie Brand fehlte auch Petersen die Virtuosität im Angriffsspiel. Doch in der Abwehr, dort, wo es wirklich weh tut im modernen Handball, war Petersen an Aggressivität und Einstellung kaum zu schlagen. Brand nennt ihn deswegen „den Prototyp eines Mannschaftsspielers“. Im Gegenzug sagt der Schüler artig über seinen Lehrer: „Von ihm habe ich mir am meisten abgeguckt.“

Auf den ersten Blick blass wirkende Typen wie Petersen werden nicht geschätzt auf dem bunten Boulevard. Er, der Zerstörer, der fast nur in der Abwehr zum Einsatz kommt, taugt nicht für große Geschichten, geschweige denn für ausschweifende Home-Stories. Kaum jemand mag Arbeiter beschreiben, die wie Petersen ihre Homepages sachlich in „Persönliches, Sportliches und Unwichtiges“ aufteilen. Man verlangt auch in diesem Sport nach Glamour, wie ihn scheinbar schrille Paare wie Stefan Kretzschmar und Franziska van Almsick versprechen.

Seinem hohen Standing innerhalb des Teams tut das keinen Abbruch. „Petersen ist überall dort, wo der Erfolg ist“, sagt Stefan Kretzschmar anerkennend, „das hat mit ihm zu tun“. „Er ist der größte Arbeiter, den ich kenne.“ Ohne unprätentiöse Mitspieler wie Petersen ist der WM-Titel unmöglich, wie Kretzschmar weiß: „Auf seine Präsenz können wir nicht verzichten.“

Petersen selbst ist nur „froh, dass meine Knochen in all den Jahren heil geblieben sind und findet nur, „dass ich auf diese 300 Länderspiele ein bisschen stolz sein darf“. Ansonsten redet er wenig, er legt auf Interviews nicht so viel Wert. Er, der mit seinem Club THW Kiel alles erreicht hat, will nur noch „einen großen internationalen Titel“. Doch selbst, wenn sich der große Triumph wirklich einstellen sollte, wird er seinen Handball wohl weiter arbeiten. „Der Pitti“, sagt Kretzschmar bewundernd, „ist immer noch heiß. Deswegen wird er noch bis Peking 2008 weiter spielen.“ Dann wäre Petersen fast 40, aber in der Abwehr käme immer noch niemand an ihm vorbei.