„35 Jahre Besatzung sofort beenden!“

Achter Bremer Solidaritätspreis an Palästinenserin und Israelin verliehen, die sich weigern, Feindinnen zu sein. Infrastruktur in Palästina ist vollständig zerstört: Straßen, Verwaltung, Polizei, Radio sind nicht vorhanden

taz ■ Beinahe hätte Sumaya Farhat-Naser nicht nach Bremen kommen können. Dabei wollte Bürgermeister Henning Scherf ihr gestern zusammen mit der Israelin Gila Svirsky den achten Bremer Solidaritätspreis verleihen. Farhat-Naser ist Palästinenserin und hatte 20 Stunden zuvor noch keine Ausreisegenehmigung von den israelischen Behörden bekommen. Alles, was die promovierte Biologin sich hat „zu Schulden“ kommen lassen, ist ihr jahrelanges Engagement mit Svirsky für den Frieden zwischen Israel und Palästina.

Farhat-Naser ist Mitbegründerin und war Leiterin der Friedensorganisation „Jerusalem Link“, in der palästinensische und israelische Frauen lernen, Vorurteile abzubauen. Mittlerweile sei es für sie lebensgefährlich geworden, sich dorthin „durchzuschmuggeln“, berichtete sie gestern. Gila Svirsky ist eine Protagonistin der israelischen Friedensbewegung. Sie berichtete, dass zwei Drittel der Israelis dafür seien, die 35-jährige Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel zu beenden und zwei souveräne Staaten zu installieren.

Im Gaza-Streifen und im Westjordanland gibt es laut Farhat-Naser keine Normalität mehr. Die Bevölkerung könne wegen unzähliger „Checkpoints“ und mittlerweile eingeführter Bewegungsscheine“ ihre Arbeitsstellen nicht mehr erreichen. Farhat-Naser selbst hatte für einen 40 Kilometer langen Abschnitt ihrer Reise nach Bremen sieben Stunden gebraucht. Die Folgen dieser Demütigungen seien auch immer mehr psychisch kranke PalästinenserInnen, vor allem Männer, die ihre Gefühle nicht zeigen könnten. Das Ende der Besatzung sei der Schlüssel zum Frieden, bekräftigte sie. Svirsky ergänzte, dieser Schritt bedeute auch die Befreiung Israels von Terror, Tod und Zerstörung.

Die israelische Friedensbewegung sei groß, berichtete die engagierte Israelin. Das werde in den Medien aber nicht gezeigt. Die „Womens‘ Coalition for a Just Peace“ ist eine Besonderheit: Sie ist ein Zusammenschluss von insgesamt neun israelischen und palästinensischen Frauenfriedensorganisationen unter einem Dach, die in gutem Austausch miteinander arbeiten. Svirsky und Farhat-Naser betonten, dass die Fronten nicht zwischen Palästina und Israel verlaufen würden, sondern zwischen KriegstreiberInnen und FriedensbefürworterInnen.

Beide Preisträgerinnen warnten auch eindringlich vor einem Irak-Krieg. Der werde die gesamte Region im Nahen Osten durcheinander bringen und mehr Probleme schaffen als lösen, sagte Naser. Für Svirsky wäre ein Krieg „eine Katastrophe für die irakische Bevölkerung“. ube