Herbbitteres Schokogegoogle

Goethe, Schiller und der Kakao – oder: Was der Computer alles ausspuckt, wenn eine Germanistin „Dichter“ und „Schokolade“ in die Suchmaschine eintippt. Eine vulgärliterarische Soirée in der Sparkasse am Brill

Wie oft werden sie zu Unrecht durch den Kakao gezogen: die armen Literaturwissenschaftler. Also versucht die Spezies angelegentlich, ihr Image als Sekundärliteraturfetischisten oder staubtrockene Foliantenblätterer abzuschütteln und sich stattdessen der Öffentlichkeit en vogue zu präsentieren. Da passte es gut, dass die Bremer Sparkasse die nette Idee hatte, anlässlich der hippen Schokoladenausstellungen im Überseemuseum und im eigenen Haus eine literarische Soirée in ihrem Kapitalpalast am Brill auszurichten.

Angekündigt waren Ausführungen von Frau Doktor Birgit Schütte-Weißenborn unter dem chiastisch-schönen Titel „Frauen brauchen Schokolade – Schokolade in der Literatur“. Schütte-Weißenborn, Expertin für Literatur der Romantik und ehemalige Lehrbeauftragte an der Bremer Uni, hatte ein wenig „im Computer“ recherchiert und war auf der Suche nach den Stichworten Schokolade und Literatur durchs Internet gesurft. Allein: Sie fand kaum schokoladige Schriftstellerinnen. Also cancelte Schütte-Weißenborn ihr Konzept und reihte – wenig inspiriert wirkend – Zitate männlicher Autoren aneinander, die irgendwo in ihrem Oeuvre das Wort „Schokolade“ fallengelassen oder privat gerne genascht haben.

So lässt Lessing in „Minna von Barnhelm“ deren Zofe Franziska sagen: „Ich will uns von unserer Schokolade machen lassen“. Schiller wiederum soll Schokolade in Wein zerstampft und sich das Gebräu einverleibt haben, um nächtens durcharbeiten zu können. Goethe habe „sein ganzes Leben lang furchtbar viel Kakao getrunken“, Thomas Mann lediglich „gerne zum Nachmittagstee“, und James Joyce habe Schokolade seiner Gattin als aphrodisierendes Mittel anempfohlen. Und so weiter und so fort.

Nach der Pause – neben Pianomusik und Sekt wurden via Laptop „Informationen zur Vermögensplanung“ feilgeboten – komme sie zur Literatur des 20. Jahrhunderts, da werde es „ein bisschen lustig“, kündigte Schütte-Weißenborn an. Klar, dass dann Schoko-Häppchen von Ringelnatz und Kishon gereicht wurden. Und natürlich Erich Kästners Vierzeiler: „Was auch immer geschieht: / Nie dürft ihr so tief sinken / von dem Kakao, durch den man euch zieht, / auch noch zu trinken.“

Wer so im Netz umhersurfe, finde auch „heiße Sachen“, verblüffte Schütte-Weißenborn ihr Publikum und tischte die olle Kamelle auf, dass „56 Prozent der Frauen laut einer Studie eher auf Sex verzichten würden als auf Schokolade“. Weshalb? Weil „Schokolade befriedigt, auch wenn sie weich ist“. Und weil frau „von Schokolade keine Haare in den Mund bekommt“. Lustig, lustig. Aber Schokolade möchte man nach dieser vulgärliterarischen Übersättigung erstmal keine mehr sehen. Markus Jox