Bauernfilmen

Wo sich „polnische Wurstmenschen“, Kleinbauern und geehrte Traktoristinnen auf der Grünen Woche finden

Die Grüne Woche hatte nach der Wiedervereinigung zunächst ihren Charakter als Fressmesse verloren, weil die Aussteller aus den westlichen Ländern sich immer sparsamer präsentierten oder sogar nach und nach ganz wegblieben, in dem Maße, wie ihnen von der Bundesregierung die Subventionen für ihre Präsentation im „Schaufenster des Westens“ gestrichen wurden. Dafür integrierte man dann die grünen Agrarkritiker der bis dahin außen vor gebliebenen „Giftgrünen Woche“. Außerdem meldeten sich immer mehr Aussteller aus dem Osten an.

Derzeit wird – im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung – heftig um die Subventionierung der polnischen Landwirtschaft gestritten. Auch hierbei will man wieder nur die rentabel-industriell wirtschaftenden Betriebe fördern, d. h. umgerechnet sollen 20 Prozent der polnischen Agrarbetriebe 80 Prozent der Suventionen bekommen. Das bedeutet, dass etwa 1,5 Millionen kleine Bauernexistenzen in den nächsten Jahren abgewickelt werden. Die EU-Agrarpolitik ist somit nach wie vor das genaue Gegenteil der stalinistischen Kollektivierung. Bei Letzterem ging es um die Vernichtung der Großbauern (Kulaken) als Klasse, im Kapitalismus werden dagegen die kleinbäuerliche Betriebe nach und nach einzeln liquidiert.

Mit der gleichzeitigen Förderung umweltfreundlicher Betriebe (der so geannnten zweiten Säule) versucht die EU neuerdings, ihren eigenen Größenwahn abzumildern. Auf der diesjährigen Grünen Woche finden dazu im Rahmen der Sonderschau „Bäuerliche Landwirtschaft“ der grünen Landwirtschafts- und Verbraucherministerin (in Halle 23 a) täglich eine Reihe von Veranstaltungen statt. Um noch einmal einen Blick auf die derzeitige polnische Landwirtschaft und ihre intellektuellen Befindlichkeiten zu richten, haben das Polnische Kulturinstitut und der Club der polnischen Versager eine Veranstaltung im Rahmen der Sonderschau organisiert. Einige Aktivisten des Clubs lesen aus dem Buch „Der Club der polnischen Wurstmenschen“ von Leszek Oswiecimski vor (mit Musik), und Kornel Miglus vom Polnischen Kulturinstitut zeigt vier Filme: zwei Dokumentationen über eine linke Intellektuelle, die in die Landwirtschaft ging: „Ein Besuch“ und – zwanzig Jahre später gedreht: „Damit es nicht weh tut“ – von Marcel Lozinski; ferner ein Film über das Leben eines kleinbäuerlichen Ehepaars: „Pawel und Ewa“ von Michal Rogalski; und, falls danach noch Zeit ist, eine kurze Dokumentation über die erste polnische Traktoristin und Heldin der Arbeit, die noch immer mit ihrem geliebten Ursus-Traktor unterwegs ist: „Die Frau vom Plakat“ von Ewa Pieta.

HELMUT HÖGE

Die Veranstaltung findet am 24. Januar ab 17 Uhr in der Halle 23 a „Bäuerliche Landwirtschaft“ statt