„Konkurrenz kann doch gesund sein“

Die neue Doppelspitze der Grünen-Fraktion mit Ratzmann neben Klotz ist zwar einheitlich links, wird aber nicht frei von Rivalität sein. Gestern stand erst mal Besänftigung der von der Vorstandswahl enttäuschten Ökos in der Fraktion an

Natürlich sehen die beiden das anders. Rivalität in der neuen Doppelspitze Sibyll Klotz und Volker Ratzmann? Nein, nur gemeinsam werde man erfolgreich sein. Und doch bleibt ein anderer Eindruck, nachdem der tags zuvor gewählte Vorstand der Grünen-Fraktion gestern Grundsätze seiner zukünftigen Arbeit vorstellte. Vom „Nachbarn hier zur Linken“ sprach Klotz, Ratzmann von „meiner Kollegin“, während sich der Rest gegenseitig beim Namen nannte. Und nachdem Klotz sich enttäuscht über ihr Wahlergebnis geäußert hatte, betonte Ratzmann ausdrücklich, wie zufrieden er mit dem seinen sei. „Natürlich gibt es Konkurrenz zwischen den beiden, aber das kann doch gesund sein“, ist aus der Fraktion zu hören.

Bevor Wolfgang Wieland am Dienstag vom Fraktionsvorsitz zurück- und in die zweite Reihe der einfachen Parlamentarier trat, waren die Rollen klarer verteilt in der grünen Spitze im Abgeordnetenhaus: hier das 54-jährige Urgestein Wieland ohne weitere Ambitionen in der Landespolitik, immer noch frustriert, nur wenige Monate Justizsenator gewesen zu sein, der Mann für die gelegentliche starke Rede im Parlamentsplenum und für die Vaterrolle in der 14-köpfigen Fraktion; dort die dreizehn Jahre jüngere Klotz, auch nach über zehn Parlamentsjahren nocht nicht verschlissen, die Frau, die seit Wielands Senatorenzeit weitgehend frei schalten konnte, die Spitzenkandidatin der Berliner Wahl 2001.

Nun hat sie Ratzmann neben sich. Der ist zwar schon über eineinhalb Jahrzehnte bei den Grünen, aber erst 14 Monate im Parlament, mit 42 Jahren fast gleich alt und bei den Grünen gleichermaßen links eingeordnet wie sie selbst. „Sicher wird es Konkurrenzsituationen geben“, sagt Klotz, „aber wir sind wild entschlossen und darauf angewiesen, als Team zusammenzuarbeiten.“

Auch Ratzmann weist weitere Ambitionen zurück. Weit sei er angesichts von Klotz’ Erfahrung von dem Punkt entfernt, an dem er eine Rivalität zu ihr aufbauen könnte. Klotz sei klar die Führungsfigur. „Ich sehe bei uns mehr Ergänzung als Rivalität“, sagte Ratzmann der taz. Teamspieler sei er, auch wenn er als Rechtsanwalt oft allein arbeite.

Doch nicht nur die Stimmen aus der Fraktion hören sich anders an. Auch die schiere Logik spricht dagegen, dass Ratzmann Klotz auf Dauer die Führung allein überlässt – er, der schon vor einem Jahr, nach nur zwei Monaten im Abgeordnetenhaus, Fraktionschef werden wollte. Dabei kann er tatsächlich zufrieden sein mit seinen vier Gegenstimmen nach einem Jahr Fraktionszugehörigkeit – Klotz, seit 1991 dabei, bekam genauso viele.

Gemeinsam zumindest werden – und müssen – sie sich mühen, den verprellten Ökoblock in der Fraktion einzubinden, aus dem offenbar einmütig die Gegenstimmen für die beiden und die Vizevorsitzenden Lisa Paus und Oliver Schruoffeneger kamen. Nicht nur die zuständige Fachpolitikerin Felicitas Kubala hatte sich darüber verärgert gezeigt, dass das traditionelle grüne Kernthema der Umweltpolitik auch im neuen Vorstand nicht vertreten ist – anders als Finanzen, Inneres, Arbeit, Frauen, Wirtschaft und Wissenschaft. „Nicht alle sind komplett glücklich mit der Zusammensetzung des Fraktionsvorstands“, räumte die neue Spitze ein.

Klotz machte sich gleich gstern ans Besänftigen, gab als Strategie vor, „als Grüne sozialdemokratisch und ökologisch zu sein“. Und nannte als einen grünen Erfolg des letzten Jahres ausdrücklich den von der Fraktion angeschobenen Landesvertrag mit der Bewag über Ökostrom. Fachpolitikerin Kubala bleibt aber skeptisch. Ökologie als Thema von Gewicht im Vorstand? – „Ich bin da nicht besonders optimistisch.“ STEFAN ALBERTI