Kohl-Kreis will keine Reform

Der Streit um die Kreisgebietsreformen geht in die nächste Runde: Heute wird ein weiteres Mal über die Reform beraten, oder sie wird gar beerdigt. Die Dithmarscher würden sich darüber freuen

Schleswig-Holstein besteht aus elf Kreisen und den vier kreisfreien Städten Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster. Es gibt 1.100 Gemeinden, diese sind teils amtsfrei, teils zu Ämtern zusammengeschlossen. Im ersten Schritt der Verwaltungsreform wurde sie von 199 auf 119 reduziert. Viele Zusammenschlüsse erfolgten freiwillig. Zuletzt fand eine Gebietsreform in den 70er Jahren statt. Dabei sank die Zahl der Kreise von 17 auf elf. est

Von ESTHER GEISSLINGER

Die Welt ist ein Kohlkopf – zumindest bei „Dithmarschen-Wiki“, der Internet-Enzyklopädie für Dithmarscher und solche, die sich dem flachsten Kreis Schleswig-Holsteins verbunden fühlen. Deren Motto lautet: Dithmarschen muss eigenständig bleiben. Für die regionale Identität hat der jahrelange Streit der großen Koalition in Kiel um Kreisgebietsreformen also viel gebracht, Gutachter haben Geld verdient in dem ewigen Verfahren, bei dem es darum geht, die Verwaltungseinheiten neu zuzuschneiden – möglicherweise gegen den Willen der betroffenen Kreise. Heute kommt der Koalitionsausschuss von CDU und SPD zusammen, um ein weiteres Mal über die Reform zu beraten – und sie möglicherweise zu beerdigen.

Die CDU läutete die neue Runde im Streit ein: Nur 16 statt wie zuvor berechnet 60 Millionen würde eine Kreisreform pro Jahr einsparen, verkündete der der CDU-Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul und berief sich auf ein neues Gutachten. Dessen Autor, Professor Joachim Jens Hesse vom Internationalen Institut für Staats- und Europawissenschaften in Berlin, zeigte sich über die Interpretation „verwundert“: Eine Gebietsreform sei „finanziell lohnend und strukturell geboten“. Er hatte auftragsgemäß nur eine „kleinere“ Lösung durchgerechnet – würden größere Einheiten geschaffen, seien 60 Millionen Euro Sparpotenzial möglich.

Andreas Breitner, Bürgermeister von Rendsburg und stellvertretender SPD-Landesvorsitzender, warf der CDU daraufhin „Tarnen, Tricksen und Täuschen“ vor. Ausgerechnet Aloys Altmann, als Präsident des Landesrechnungshofs sonst der erste mit dem Rotstift, leistete der CDU Hilfestellung, indem er sich gegen Zwangsfusionen und für freiwillige Zusammenschlüsse der Kreise aussprach. Begründung: Die Koalition könne sich wahrscheinlich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen.

SPD-Landeschef Ralf Stegner verkündete inzwischen, für ein „Reförmchen“ stünde er nicht zur Verfügung. Vor der heutigen Tagung, die ursprünglich vor zwei Wochen hätte stattfinden sollen, gab es ein Treffen zwischen ihm und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, außerdem berieten die Fraktionen intern. Wenn die SPD auf die Reform verzichtet, könnte ihr die CDU bei der Frage nach beitragsfreien Kita-Plätzen entgegenkommen.

Tatsächlich scheinen Kreisreformen etwas zu sein, an dem sich Regierungen gern verheben: Mecklenburg-Vorpommern wollte fünf Großkreise bilden – das Landesverfassungsgericht verbot diese Lösung, da solche Gebilde nicht mehr durch ehrenamtliche Politiker regiert werden könnten. In Niedersachsen wird ewig debattiert, Lösungen fehlen aber, da sich keine Partei richtig an das Thema herantraut. In Schleswig-Holstein führte der Zoff um die Reform zu einer Volksinitiative und Parteiaustritten ganzer Ortsverbände.

Dennoch hatten sich CDU und SPD im vergangenen Dezember auf einen Kompromiss geeinigt. Demnach sollen die künftigen Kreise eine Mindestgröße von 180.000 bis 200.000 Einwohnern haben und maximal ein Viertel der gesamten Landesbevölkerung umfassen. Zwangsfusionen sollte es nur geben, wenn Sparvorgaben nicht durch freiwillige Kooperationen erreicht werden – bis 2013. Die SPD hatte sich einen engeren Zeitplan gewünscht, um die Reform noch in dieser Wahlperiode anzuschieben. Nun könnte es sein, dass erst der nächste Landtag, der 2010 gewählt wird, das Thema wieder in Angriff nimmt.