DAS PROJEKT WINDENERGIE IST EIN ERFOLG – DARIN LIEGT EINE GEFAHR
: Ökostrom behutsam fördern

Die Technik ermöglicht die Wirtschaft, und die Wirtschaft bestimmt die Politik – befand einst der Münchner Visionär und Architekt Hermann Sörgel. Am Anfang des dritten Jahrtausends wissen wir, dass es umgekehrt ist: Die Wirtschaft erzeugt die Technik, die sie braucht und die sich verkaufen lässt, und kluge Politik kann durchaus die Wirtschaft lenken. Zum Beispiel bei der Windenergie. Um 37 Prozent ist die von Windrädern erzeugte Strommenge im letzten Jahr angestiegen. Die gestern von der Branche präsentierten Wachstumsraten wären ohne den politischen Rahmen kaum denkbar gewesen. Anders ausgedrückt: Auch wenn Atomlobby und Stromkonzerne ausgiebigst und aus allen Rohren gegen das Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien feuern – es hat sich als zielgenau und effektiv erwiesen.

Kamen im Jahr 2000 noch drei Prozent des in Deutschland verbrauchten Stromes aus Windmühlen, so waren es im letzten Jahr schon knapp fünf Prozent. Auch wenn die installierte Gesamtleistung von derzeit 12.000 Megawatt wegen Windflauten nie erreicht werden wird: Zehn kleine Atomkraftwerke oder acht große können dadurch in Deutschland allemal ersetzt werden. Nicht auszudenken, wenn die deutsche Windwirtschaft so weiterwächst.

Das werde sie nicht, erklären konservative Energiepolitiker und verweisen zu Recht auf die Endlichkeit der Standorte, die sich im deutschen Binnenland zur Windkrafternte eignen. Die Verfechter der Windkraft kontern dies gern mit dem schier unbegrenzten Reservoir zur See: Die ersten beiden Offshore-Standorte sind ausgewiesen, die Planungen zur Umsetzung der Projekte werden konkret.

Doch hier gilt es die Politik zu zügeln: Technisch nämlich ist die Wirtschaft längst noch nicht so weit, dass der politische Wille, in drei Jahren schon 500 Megawatt Ökostrom zu erzeugen, umgesetzt werden kann. Politische Ungeduld aber birgt die Gefahr, dass die Branche ungesund wächst. Wir kennen das ja schon: Weil die Biolandwirtschaft schneller wuchs als ihre Strukturen, war der Nitrofen-Skandal erst möglich. NICK REIMER