AUCH NACH FISCHLERS REFORM: DIE EU GIBT DEN BAUERN ZU VIEL GELD
: Die Zukunft liegt nicht auf dem Acker

Agrarkommissar Franz Fischler ist mit Sicherheit einer der am meisten gehassten Politiker Europas. Die Bauern quält er mit der Milchquote. Den Fischern nimmt er ihre Boote. Die Osteuropäer zwingt er zur Pflege der Landschaft. Dabei müssten die Bauern Europas ihr bulliges Oberhaupt eigentlich lieben. Denn Fischler versucht nicht nur, ihnen durch eine vorsichtige Änderung der Förderrichtlinien hin zu mehr Nachhaltigkeit eine Zukunft zu eröffnen. Zugleich hält er auch das Geld für sie zusammen. Denn auch nach der jetzt vorgestellten Reform der Agrarpolitik gilt: Die Bauern genießen in Europa eine Unterstützung, wie sie keiner anderen Berufsgruppe zuteil wird. Mehr noch: Die Verpflichtung zur „Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen“ ist immer noch in einem eigenen Artikel des EWG-Vertrags festgeschrieben.

Dieser jedoch stammt aus dem Jahre 1957. Nun mag wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das Vertragsziel – die Sicherstellung der Versorgung – berechtigt gewesen sein. Heute ist es das nicht mehr. Heute gibt es offene Märkte und eine landwirtschaftliche Produktion, die in vielen Bereichen zu hoch ist. Die EU aber steht vor einer der größten Veränderungen in ihrer Geschichte. Sie wird sich in den nächsten Jahren um zwölf Mitglieder erweitern und sich eine eigene Verfassung geben. Eine gemeinsame Außenpolitik, die Unterstützung der Staaten, die an ihrer Außengrenze liegen, Forschung, Bildung und nicht zuletzt der Aufbau eigener militärischer Strukturen erfordern Geld. Für die Außen- und Sicherheitspolitik sind im EU-Haushalt bisher jedoch gerade mal 40 Millionen Euro vorgesehen, für die Agrarpolitik dagegen 40 Milliarden.

Da wohl niemand eine Steuererhöhung will, um die EU zukunftsfähig zu machen, muss sich der Verfassungskonvent jetzt dieser Aufgabe stellen. Es reicht nicht, über immer neue Aufgaben für die Union zu diskutieren, man muss auch wissen, woher das Geld dafür kommen soll. Gerade die Franzosen, die einerseits die Agrarsubventionen verteidigen, andererseits mehr Ausgaben für die Verteidigung fordern, könnten hier Lösungsvorschläge präsentieren. SABINE HERRE