Mehr Geld für die neuen EU-Bauern

EU-Agrarkommissar legt Vorschläge für 40-Milliarden-Budget vor: Geld wird umgeschichtet, aber kaum in den Umweltschutz und die Entwicklung des Landes. Alle Beobachter unzufrieden. Landwirtschaftsminister müssen nächste Woche verhandeln

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Gute gesundheitliche Verfassung, „um das zu verdauen, was uns Agrarkommissar Franz Fischler heute vorstellt“, wünschte der Franzose Joseph Daul, Vorsitzender des Agrarausschusses im Europaparlament, gestern den Gästen im Saal. Da es um den größten Budgetposten der EU geht – mehr als 40 Milliarden Euro verteilt die Union jährlich an ihre Bauern –, war der Andrang entsprechend groß. Je nach politischem Standpunkt und Interessenlage gehen die Vorschläge den Kritikern zu weit oder nicht weit genug.

Anfang Juli 2002 hatte die Kommission schon einmal eine Halbzeitbilanz der Agrarpolitik vorgelegt. Nachdem sich im Oktober Schröder und Chirac darauf geeinigt hatten, dass die Agrarausgaben nach 2006 nicht noch weiter steigen sollen, musste Fischler sein Reformpapier verändern. Denn ab 2004 werden aus dem gleich bleibenden Agrartopf zehn zusätzliche Länder bedient, die Mittel müssen deshalb anders verteilt werden. Seine Kernidee, die Hilfen für Landwirte unabhängig von den tatsächlich produzierten Gütern zu zahlen, hat Fischler zu retten versucht. Diese sogenannte „Entkoppelung“ von der Produktionsmenge wird durch neue Bedingungen ersetzt: Mindeststandards beim Tier- und Umweltschutz, der Lebensmittel- und Betriebssicherheit sind Voraussetzung dafür, dass die Gelder aus Brüssel fließen. Allerdings ist in der neuen Fassung statt den ursprünglich geforderten verbindlichen Betriebsprüfungen ein weniger striktes Pflichtberatungsprogramm vorgesehen.

Der ursprüngliche Plan, Großbetrieben nicht mehr als 300.000 Euro Förderung im Jahr zu zahlen, musste auf deutschen Druck hin aufgegeben werden. Ministerin Renate Künast hatte sich gegen die Deckelung gewehrt, weil davon vor allem landwirtschaftliche Großbetriebe in Ostdeutschland betroffen wären. Es bleibt aber dabei, dass Großbetriebe schrittweise zurückgestuft werden: Wenn sie mehr als 50.000 Euro Förderung im Jahr erhalten, reduziert sich die Zahlung bis 2012 um 19 Prozent.

Die Umwidmung von Geldern von der Förderung pro Tonne oder Stückzahl zu anderen Kriterien heißt im EU-Jargon „Modulation“. Laut Fischlers Vorschlägen fließen nur wenige der Modulationsgelder in Projekte für die Entwicklung des ländlichen Raums. Nach dem ursprünglichen Plan hätten es 20 Prozent sein sollen, der jetzige Vorschlag rechnet mit maximal 6 Prozent. Diese Änderung ruft Umweltschützer auf den Plan. „Das ist eine sehr schlechte Nachricht für die vielen Bauern, die nachhaltigere Landwirtschaft betreiben wollen“, kritisierte gestern der BUND in Brüssel.

Den traditionellen Farmern dagegen gehen schon diese Pläne zu weit. Gerd Sonnleitner, Präsident des deutschen und europäischen Bauernverbandes, schlägt vor, die Reform bis nach der nächsten Welthandelsrunde zu verschieben. Dann könnten auch die neuen Mitgliedsländer an der Diskussion beteiligt werden, die jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt würden.

Das letzte Wort über Franz Fischlers Konzept ist ohnehin noch nicht gesprochen. Nächste Woche wird sich der Agrarministerrat in Brüssel zum ersten Mal damit befassen. Dann geht das Gefeilsche ums Geld erst richtig los. Am Ende muss eine qualifizierte Mehrheit im Rat zustande kommen. Das Parlament hat beim größten Budgetposten der Union kein Mitspracherecht.