Französische Beschwörungsformeln

In Frankreich gab es ein Krisentreffen mit Vertretern der Banken- und Versicherungsbranche. Präsident Sarkozy ist unter Druck und will einen internationalen Finanzgipfel mit Nachbarländern. EU-Kommission kündigt Maßnahmen an

PARIS taz ■ „Das französische Bankensystem ist solide.“ Der Satz klingt wie eine Beschwörung von Kindern, die sich im Wald verirrt haben. Er stammt aus dem Munde zweier einflussreicher Männer des französischen Finanzsystems: Georges Pauget (Direktor der Bank Crédit Agricole) und Henri Castries (Versicherung Axa) haben am Dienstag an einer Krisensitzung bei Staatspräsident Nicolas Sarkozy teilgenommen. Sie wollten sich selbst – und der großen Öffentlichkeit – weismachen, dass der Dominoeffekt aus den USA nicht nach Frankreich überschwappen kann. Sicherheitshalber erklärt man anschließend noch, dass Frankreich bis zum Ende der Woche „neue Maßnahmen“ zur Unterstützung der Finanzen verkünden werde.

Auch auf europäischer Ebene – beim Gipfel am 15. Oktober – will Nicolas Sarkozy die Finanzkrise stoppen. Zugleich kündigte Sarkozy an, sich mit den Regierungschefs von Deutschland, Großbritannien und Italien abzusprechen, um einen internationalen Finanzgipfel vorzubereiten. „Ich bekräftige meinen Aufruf zu einem Gipfel in den kommenden Wochen, um die Grundlagen für ein neues internationales Finanzsystem zu schaffen“, sagte der Präsident. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, dazu bereite er derzeit mit Sarkozy einige Initiativen vor. Morgen will die EU-Kommission außerdem Gesetzespläne vorlegen. Sie betreffen: eine bessere Risikoabsicherung gegen den Ausfall von Krediten, eine europäische Bankenaufsicht, verschärfte Vorschriften für Ratingagenturen.

In der Nacht vor der Krisensitzung der Bankiers und Versicherungsmanager im Élysée-Palast hat Frankreich zum ersten Mal in dieser Krise selbst tief in die Tasche greifen müssen. Zusammen mit der belgischen Regierung hat es Kapital in die Bank Dexia gespritzt. Diese spielt eine zentrale Rolle bei der Finanzierung kommunaler Ausgaben. Jetzt gehört sie zu 50 Prozent der öffentlichen Hand der beiden Länder.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy begann vor ein paar Tagen seine lang erwartete Grundsatzerklärung zur Wirtschaft in der südfranzösischen Stadt Toulon als Abrechnung mit dem „Finanzkapitalismus“. Er attackierte mit starken Worten die „verrückten Ideen“ und die „Exzesse“ jenes Finanzkapitalismus. Das System von Bretton-Woods nannte er überholt.

Aber im „Antikapitalismus“ sieht Sarkozy „keine Lösung“. Stattdessen drosch er – in Toulon wie schon vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen – auf Unternehmer und Banker ein, die „unverantwortlich“ gehandelt hätten. Und er propagierte „neue Regeln für Finanz- und monetäre Geschäfte“. Wie die genau aussehen sollen, will Paris in den nächsten Tagen präzisieren.

Die rechte Regierung gibt ihrem Präsidenten recht. Als Argumente für den Sparplan nutzt sie nicht nur die aus den USA herübergeschwappte Finanzkrise, sondern auch die neuen Zahlen von Arbeitsmarkt, Wirtschaftswachstum und Verschuldung. Im August ist die Zahl der Arbeitslosen wieder um 40.000 gestiegen. Die Kaufkraft – die noch Priorität für Sarkozy vor seiner Wahl hatte – ist in der ersten Jahreshälfte um 0,4 Prozent zurückgegangen. Und das Wachstum ist negativ. DOROTHEA HAHN