Moderate Moderne

Ohne Abwehr aber mit umso mehr Assistenztrainern versucht der FC St. Pauli zum Rückrundenbeginn gegen Eintracht Frankfurt, noch einen Nichtabstiegsplatz in der 2. Bundesliga zu erreichen

von OKE GÖTTLICH

31 Spieler und fünf Trainer. Eine Menge Kompetenz für den erhofften Klassenerhalt, sollte man denken. Wenn doch nicht allzu selten Masse klasse wäre.

Denn trotz eines aufgeblähten Kaders, den sich von der numerischen Größe her betrachtet mancher Champions-League-Teilnehmer wünschen würde, wird der FC St. Pauli heute im Spiel gegen Eintracht Frankfurt nur mit großer Mühe drei Abwehrspieler aufbieten können. Die Zahl der diversen angestellten Trainer (Gerber, Thomforde, Gärtner, Ippig, Sonnenburg) im Club ist zurzeit höher als die der fitten Defensivspieler. Cory Gibbs, Moudachirou Amadou und Hauke Brückner fallen definitiv aus, während Holger Stanislawski nach einer Grippe bestenfalls geschwächt auflaufen wird, um das offensivstarke Team des Ex-St. Pauli-Trainers Willi Reimann am Toreschießen zu hindern. Lediglich der neue Abwehrchef Jens Rasiejewski, sowie Oliver Held, Dubravko Kolinger und Marco Gruszka stehen dem aufgeblähtesten Trainerteam seit Berti Vogts Leverkusener „Kompetenzteam“ um Pierre Littbarski, Wolfgang Rolff und Toni Schumacher zur Verfügung.

„Die Umstellung mit Rasiejewski in der Liberoposition ist ganz gut geglückt“, glaubt Chefcoach Franz Gerber selbst nach desolaten Testspielergebnissen, „doch der Ausfall von Gibbs und die Krankheit von Stanislawski passt uns gar nicht in den Kram.“ Ein Rückschlag, der Gerber zu schaffen macht und kritische Stimmen nährte, die aufgrund der mangelnden, öffentlichen Motivation des Teams durch Gerber aufkamen. „Die vergangenen Rückschläge haben mich einfach runtergezogen, dennoch hoffe ich nicht nur, dass das Team nicht absteigt, sondern habe durch die Präsentation einiger Spieler während des Trainings auch die Gewissheit, dass sich die Mannschaft besser zeigt als in der Hinrunde.“ Obwohl Gerber an der klassischen taktischen Variante mit Libero und zwei Manndeckern festhalten wird. „Es wäre Harakiri gewesen, jetzt alles auf modernsten taktischen Stand umzuformen“, weiß er.

Immerhin will er durch verstärktes Verschieben zwischen defensivem Mittelfeld und Abwehrzentrale Überzahl in Ballnähe schaffen. „Wenn man so will kann man von moderater Moderne sprechen“, spaßt Gerber trotz der bedrohlichen Situation.

Noch kecker wird der frisch verpflichtete Assistenzcoach Harald „Harry“ Gärtner. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unserem Potenzial alle Teams der Liga schlagen können, wenn Erfolgserlebnisse die Psyche der Spieler stärken.“ Der 35-Jährige hat als Profi in Meppen selbst gegen den Abstieg aus dem Profifußball gespielt und glaubt durch „mehr Kommunikation auf dem Platz“ sein neues Team vor der Regionalliga bewahren zu können. „Wir haben Harald geholt, um einen externen Trainer für objektivere Arbeit zu gewinnen. Außerdem wird er sich um die Sichtung und Beobachtung kommender Gegner kümmern“, beschreibt Gerber die Funktionen des A-Lizenz-Inhabers.

Als Profi konnte Gärtner am Millerntor nie gewinnen. Dieses Karma möchte er den kommenden Gastteams am Millerntor gerne übertragen. Vielleicht ist das St. Paulis letzte Chance.