Ich seh‘ Dir in die Ohren, Kleines!

Ohne Sexappeal und schöne Augen – Holger Rink hat für Radio Bremen den alten Kinokassenschlager „Casablanca“ in ein Filmhörspiel verwandelt

„Das ist überhaupt nicht so sexy, wie die Leute immer sagen“, beschwert sich Holger Rink, „nein, ganz und gar nicht sexy – nur falsch!“

Holger Rink ist Redakteur von Radio Bremen, und als solcher ist er seit Wochen in eine Idee vernarrt: den Filmklassiker „Casablanca“ – die deutsche Synchronfassung, versteht sich – als Filmhörspiel in sein Rundfunkprogramm zu hieven. Herausgekommen sind schließlich sechsundachtzig Minuten vertonter Cineasten-Kult, denen man heute Abend im Nordwestradio lauschen kann.

Aber was ist denn nun daran nicht so sexy, wie es die Leute gerne hätten? Ein größeres Liebesglück als Ingrid Bergmann in der Rolle der schönen Ilsa Lund und Humphrey Bogart als Barbesitzer Rick Blaine kann es doch gar nicht geben. Frau und Mann Arm in Arm, innig vertraut, der Flughafen, die schmachtend-feuchten Augen und dann, endlich: „Schau mir in die Augen, Kleines!“

Schön wär‘s. Mag der Satz noch so häufig als kitschige Floskel von der Werbewirtschaft verbraten werden, mögen ihn die Liebenden noch so häufig zitieren, in Rinks Soundtrackmischung taucht er ganz bewusst nicht auf. Im Original-Drehbuch hieß es an dieser Stelle lapidar: „Here‘s good luck to you“. Und Bogart, der während der Dreharbeiten enormen Einfluss auf die Dialoge genommen haben soll, änderte die Sentenz kurzerhand in ein „Here‘s looking at you, kid“. In der legendären deutsche Synchronisation von 1951 schließlich raunt der schöne Humphrey: „Ich seh‘ Dir in die Augen, Kleines“.

Dieser Satz klingt zwar weder sexy noch besonders lässig oder cool. Aber er ist authentisch.

Rundfunkmensch Rink verzichtet für sein Hörspiel gerne auf die schmalzige Phrase: „Wenn ich die Szene höre, wo Ilsa in Ricks Café kommt, Sam erkennt und zum ersten Mal die bekannte Filmmelodie erklingt, bekomme ich jedes Mal eine Gänsehaut“. Natürlich sei „Casablanca“ sein absoluter Lieblingsfilm, gesteht der Redakteur, sonst nicht gerade ein großer Kinogänger. Den Soundtrack hat er deshalb auch so angelegt, dass man nicht im Kino gewesen sein muss, um der Story folgen zu können. Und eigentlich findet Rink das sowieso schöner, „denn da wird man kreativer, und jeder darf sein eigenen Regisseur sein.“

Eigentlich war „Casablanca“, als der Streifen 1942 gedreht wurde, als Propagandafilm gegen Nazideutschland gedacht. Anlass war die „Strategiekonferenz“ zwischen dem britischen Premier Winston Churchill und dem amerikanischen Präsidenten Franklin Roosevelt in der nordafrikanischen Stadt, auf der Deutschland, Italien und Japan zur bedingungslosen Kapitulation aufgefordert wurden. Für den Filmproduzenten Warner Brothers war der Politgipfel Anlass, den Kinostart auf den letzen Tag der Konferenz zu verlegen, also auf den 26. Januar 1943.

Anja Damm

60 Jahre „Casablanca“, Nordwestradio UKW Bremen 88,3 und Bremerhaven 95,4 MHz heute, 22.05 Uhr.