ich antworte einem mäusedetektiv von WIGLAF DROSTE
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Basil, der große Mäusedetektiv heißt jetzt Basil Wegener, schreibt für dpa und stellte mir schriftlich folgende Fragen: „Uli Hoeneß, Johannes Rau, der Autovermieter Sixt und so manche andere rufen in letzter Zeit verstärkt zu Optimismus, zum ‚Schluss mit dem Krisengerede‘, zum Nach-Vorne-Gucken etc. auf. Auch sonst wird gerne über das ‚Jammern‘ geredet. Was ist von den florierenden Gute-Laune-Appellen zu halten? Kann Optimismus so etwas wie eine Bürgerpflicht sein? Droht schlechte Laune völlig in Misskredit zu kommen? Oder ist es vielleicht ein Zeichen von Reife, sich öffentlich mit der eigenen Befindlichkeit und der der anderen auseinander zu setzen?“

Hier, verehrter Mäuserich, die Antworten: Ob der fränkische Wurstfabrikant Hoeneß, ein arrivierter Mietwagenfritze und ein weißbrotartiger protestantischer Präses dieses oder jenes sagen, ist geschenkt. Es erstaunt allerdings, dass ihnen beim rituellen Absondern von Gemeinplätzen jemand zuhört und ihren Gratisworten Gewicht beimisst. Die Landsleute lassen sich eben gern einschüchtern. Deutsche erwarten viel zu oft, dass andere sich administrativ um ihre Belange kümmern. Sie haben erstaunlicherweise gar nichts dagegen, dass der Staat sie bevormundet – im Gegenteil, viele wünschen sich das. Der Preis für diese Furzkissenhaftigkeit des Seins ist die sukzessive Entmündigung. Wenn eine Polemik genau gegen die Affekte übellauniger Couch-Potatoes zielte, die sich darüber beschweren, dass der Nachschub nicht klappt, dann wäre sie in Ordnung.

Dem Feistus Raclettus Hoeneß und seinen Mitsprechern aber schweben bloß Befehlsempfänger vor, die ohne Murren tun, was man ihnen aufträgt, und das für möglichst wenig Honorar. Wer für die Verrichtung mieser, langweiliger, geistauslöschender Arbeit entlohnt werden möchte, wird als Jammerlappen mit überhöhtem Anspruchsdenken denunziert. Genau das ist mit dem Optimismus-ist-Pflicht-Gerede gemeint: Wer nicht zufrieden ist, soll die Klappe halten, wer nicht der Schäbigkeit applaudiert und zuprostet, in der er sich gefälligst einzurichten hat, wird als Heulsuse und Schädling diffamiert. Früher hieß das: Geh doch nach drüben, aber drüben gibt es ja nicht mehr.

Dass Rot-Grün wählende Lehrer ihr unerleuchtetes Gemeckere in Selbstüberschätzung mit kritischer Betrachtung der Verhältnisse verwechseln, ist eine unangenehme Sache (und bei dieser Art Mensch wohl eine anthropologische Konstante). Dem aber mit Latrinenparolen zu begegnen, ist nicht minder geistfern. Das Pfeifen im Dunklen, das abgedroschene Gerede vom Ärmelaufkrempeln, vom Mitmachen als „Success Story“, vom HabkeineAngst, Allessuper usw. stinkt nach Betrug.

Es mangelt eben nicht an selbsteinlullungsrhetorischer Affirmation, sondern im Gegenteil an Widerstandsfreude und Lust an der Auflehnung, an der Behauptung des Individuums gegen das Kollektiv, das mit Durchhalteparolen zusammengebunden wird. Gegen Prediger hilft nur verantwortungslose Fröhlichkeit, und davon gibt es nie genug.