DIE NIEDERLÄNDER HABEN AM MITTWOCH EINE GROSSE KOALITION GEWÄHLT
: Sicherheit nach dem Chaos

Der kurze Frühling der Aufmüpfigkeit ist vorbei, die Niederländer hat die Angst vor der eigenen Courage eingeholt. Erschrocken vom Chaos, das sie im Mai letzten Jahres durch ihr Votum für einen versprengten Haufen von Populisten selbst mit anrichteten, haben die Holländer bei den vorgezogenen Neuwahlen am Mittwoch für die sichere Bank optiert: Die beiden Volksparteien, Christdemokraten (CDA) und Sozialdemokraten (PvdA), sollen es wieder richten.

Der Protest von 1,6 Millionen Wählern gegen Untätigkeit, zu viel Bürokratie und politische Bevormundung, der noch vor acht Monaten wie ein Sturmlauf gegen die Bastion Konsensgesellschaft anmutete, ist heute so gut wie integriert, zumindest hat ihr Unbehagen bei diesen Wahlen keine Rolle mehr gespielt. Die Liste Pim Fortuyn (LPF), die im Mai 2002 auf Anhieb 18 Prozent der Stimmen einfuhr und mit 26 von 150 Parlamentssitzen sogar Regierungsverantwortung übernahm, ist mit nunmehr 10 Sitzen auf Normalmaß geschrumpft, ihre Themen Kriminalitätsbekämpfung und Zwangsintegration von Immigranten sind längst von den bürgerlichen Parteien besetzt.

Auch haben die Holländer ganz eindeutig strategisch gewählt. Diejenigen, die aus Ärger über das Scheitern der Fortuyn-Partei oder auch aus Verdruss über die unentschiedene Haltung der Sozialdemokratie ihr Kreuzchen womöglich eher für die Sozialisten (SP) oder die Grünen (GroenLinks) gemacht hätten, sahen sich gezwungen, der PvdA ihre Stimme zu geben, um eine Fortsetzung der Mitte-rechts-Koalition unter Führung des Christdemokraten Jan Peter Balkenende zu verhindern. Dessen Ankündigung vor der Wahl, am liebsten mit dem rechtsliberalen Partner VVD weiter regieren zu wollen, hat überdies viele Unentschiedene für die PvdA mobilisiert.

Die Botschaft der Wähler ist klar: Balkenende soll mit den Sozialdemokraten eine stabile Regierung auf die Beine stellen. Jetzt, wo die Zeiten ungebremsten Wirtschaftswachstums und beispielloser Vollbeschäftigung vorerst vorbei zu sein scheinen, wächst in Holland – notgedrungen – das Vertrauen in die Sozialdemokratie.

Viele Holländer hoffen, dass mit den Sozialdemokraten in der Regierung die sozialen Einschnitte sie nicht gar so schlimm treffen werden. Die Gefahr indes besteht, dass Balkenende diese Option im Grunde gar nicht ernsthaft prüfen will und dass seine Bereitschaft zu einer Regierungskoalition mit der PvdA nur vorgetäuscht ist, um am Ende sein neoliberales Projekt weiterführen zu können. Und Garant dafür sind nun einmal nicht die Sozialdemokraten, sondern die Rechtsliberalen.

HENK RAIJER