Ohne Totalitarismustheorie

Mit der Sonntagsmatinee „Hamburg wird braun“ beginnt das Abaton in Zusammenarbeit mit dem Landesmedienzentrum eine mehrteilige Reihe mit Filmen zu Vorgeschichte und Folgen des NS

von ANDREAS BLECHSCHMIDT

Anlässlich des Holocaustgedenktages am 27. Januar zeigt das Abaton unter dem Titel „Hamburg wird braun“ historische Filme der Jahre 1932–34. Eröffnet wird das Programm mit einer Dokumentation aus dem Jahre 1995 über die Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen sowie die anschließenden Prozesse gegen die Wachmannschaften. Die folgenden Archivfilme beleuchten Ereignisse in Hamburg zwischen 1932 und 1934.

Zwei der gezeigten sind Propaganda-Filme der NSDAP. Der Stummfilm Hitlerkundgebung in Hamburg zeigt einen Wahlkampfauftritt in Hamburg. Hamburgs größte Kundgebung hingegen dokumentiert den 1. Mai 1934, als im Rahmen einer Kundgebung auf dem Heiligengeistfeld eine Rede Hitlers aus Berlin übertragen wurde. Beiden Filmen ist die propagandistisch gelenkte Filmdramaturgie gemeinsam, die die Person Hitler gezielt in Szene setzt.

Dazu stehen zwei weitere Dokumente anonym gebliebener Amateurfilme in einem interessanten Differenzverhältnis. Sie vermitteln zunächst einen Eindruck der Verschränkung alltäglichen Lebens mit damaligen politischen Ereignissen. Jahresschau 1933/34 vereint private Momente mit offiziellen Anlässen. So zeigt dieser Film einen Besuch Hitlers im August 1934 in Hamburg. Doch im Gegensatz zur Dramaturgie offizieller Berichterstattung erscheint die Person Hitlers eher als banal und ernüchternd.

Für Joachim Paschen, Leiter des Landesmedienzentrums Hamburg und Organisator der Matinee, zeigen gerade die Amateurfilme die Perspektive der „normalen“, mehr oder weniger mitmachenden Deutschen. Auch wenn die Aufnahmen der Erlebnisperspektive von Regimebefürwortern folgen, wird jedoch immer mal wieder Gegenläufiges sichtbar: Im Film Beflaggung über den Wahlkampf im November 1933 sind es die wenigen schwarz-weiß-roten Fahnen einiger Haushalte neben den unzähligen Hakenkreuzfahnen, die zumindest einen Rest zahmen Protests dokumentieren.

Unsichtbar bleibt in den gezeigten Filmen die Unmittelbarkeit von Verfolgung und Repression gegenüber politisch Andersdenkenden und der jüdischen Gemeinde in Hamburg. Weder die Boykottaktionen vom 1. April noch die Stürmung des Gewerkschaftshauses am 2. Mai 1933 tauchen beispielsweise in den Aufnahmen auf. Damit stellen die Amateurfilme durchaus ein sozialgeschichtliches Zeugnis des Zusammenspiels von gesellschaftlicher Gleichschaltung und NS-Ideologie dar.

Diese Sonntagsmatinee stellt den Auftakt für eine Veranstaltungsreihe dar: Im Februar werden der Hamburger Aufstand von 1923, im März die schweren Bombardierungen Hamburgs 1943 thematisch aufgegriffen. Ausgehend vom Jahr 1933 sollen damit einerseits die gesellschaftlichen Vorbedingungen in der Weimarer Republik für die Machtübertragung an die NSDAP beleuchtet werden. Mit dem filmischen Blick auf die Ereignisse des Jahres 1943 werden die Folgen der NS-Politik für die in Hamburg lebenden Menschen dokumentiert. Dabei grenzt sich die Reihe von Deutungsmustern der Totalitarismustheorie ab: weder wird der Hamburger Aufstand zum linken Vorspiel für 1933 umgedeutet, noch sollen die Bombenopfer des Juli 1943 gegen die Opfer der NS-Verfolgung ausgespielt werden. Denn der Fokus bleibt bei der historischen Frage, wieso zu viele Deutsche nach 1933 so lange mitgemacht haben.

Sonntag, 11 Uhr, Abaton