Emssperrwerk: Hausverbot im Wahllokal

Die EinwohnerInnen Gandersums sollen bei der Landtagswahl im Emssperrwerk ihre Stimmzettel ausfüllen. „Geht nicht“, sagt ein Sperrwerksgegner aus dem 100-Seelen-Dorf und zieht vor Gericht: Seit den Protestaktionen gegen die Riesen-Tore habe er auf dem gesamten Gelände Hausverbot

Zur Landtagswahl ins Emssperrwerk: „Ich glaub’ ich spinn’“, sagt ein Protestler„Ich will da oben nicht wählen“, steht auf dem Briefwahl-Antrag

dpa ■ Jahrelang hat er gegen das Riesenbauwerk aus Stahl und Beton gekämpft, jetzt soll er eben dort sein Kreuzchen machen. „Wahllokal: Emssperrwerk“: So steht es auf den Benachrichtigungen für die Landtagswahl nächsten Sonntag, die den Einwohnern von Gandersum vor kurzem ins Haus flatterten. „Ich dachte, ich spinn’ wohl“, sagt Uwe Sager, Sperrwerksgegner und Sprecher der Bürgerinitiative gegen das Monster-Bauwerk.

Um die verhassten Riesen-Tore zu verhindern, die bei Bedarf den ganzen Fluss aufstauen, hat Sager demonstriert, geklagt, die Protest-Trommel geschlagen. Seit die Bagger anrückten hat er keinen Fuß mehr auf den Deich gesetzt. Das wird auch die Landtagswahl nicht ändern. Sager: „Ich geh’ da nicht hin.“

Mit dieser Einstellung ist der Gandersumer nicht allein. 40 der knapp 100 Dorfbewohner sind Mitglied in der Bürgerinitiative. „Das Sperrwerk ist den Leuten ein Dorn im Auge“, sagt Sager. Die Entscheidung des Bürgermeisters der 20.000-Einwohner-Gemeinde Moormerland, statt der alten Dorfschule den Saal über der Technikwarte des Sperrwerks zum Gandersumer Wahllokal zu küren, empfinden dessen Gegner als „Affront“. „Eine Entscheidung gegen die Kritiker“, wettert Sager: „Das ist kein neutrales Gebäude.“

Das ehemalige Schulhaus sei in einem maroden Zustand, rechtfertigt Moormerlands Bürgermeister Heinz Palm (parteilos), seit jeher Befürworter des Sperrwerks, seine Entscheidung: „Durch die Fenster zieht es, und der Wahlraum muss von einem Nebenraum aus mit einem Kohleofen beheizt werden“. Das sei den ehrenamtlichen Wahlhelfern nicht zuzumuten. Pastor Günter Faßbender hält das für vorgeschoben. Noch bei der Bundestagswahl im September, sagt er, seien die Wahlkabinen in dem alten Klassenzimmer aufgestellt worden, selbst als Gerichtssaal fand es im letzten Jahr Verwendung, und die frühere Wohnung des Dorflehrers war bis vor kurzem noch vermietet. Zurzeit ist die Immobilie für 55.000 Euro zu kaufen. Sager: „Das ist keine Bruchbude.“

Der Streit ums richtige Wahllokal wird jetzt auch die Justiz beschäftigen. Ein ehemaliger Polizist aus dem Dorf hat Klage gegen die Entscheidung des Bürgermeisters eingereicht. Sein Argument: Bei Protestaktionen gegen das Sperrwerk habe er ein Hausverbot für das Gelände bekommen und könne folglich nicht wählen. Das Verwaltungsgericht Oldenburg will noch vor der Wahl am 2. Februar entscheiden.

Ein Sprecher des Sperrwerks – Betreiberin ist das Niedersächsische Landesamt für Wasserbau und Küstenschutz – weist die Vorwürfe indes zurück. Es existiere kein einziges Hausverbot, sagt er. Jeder Wahlberechtigte könne im Sperrwerk ungehindert seine Stimme abgeben.

Gegen das Wahllokal außerdeichs sprechen nach Ansicht von Pastor Faßbender allerdings auch ganz praktische Gründe. Für einen Großteil der Wahlberechtigten – Altersdurchschnitt über 60 Jahre – sei der Weg ins zweieinhalb Kilometer vom Ortskern entfernte Sperrwerk sehr viel mühsamer als zu der am Dorfrand gelegenen Schule.

Einige Sperrwerksgegner sollen ihren Wahlschein aus Protest bereits an den Wahlleiter zurückgeschickt haben; andere haben Briefwahl beantragt. Nicht etwa, weil sie am Sonntag verhindert wären: „Ich will da oben nicht wählen“, hat eine alte Frau auf ihre Karte geschrieben.

Armin Simon