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: SILKE BURMESTER über einen delikaten Gesprächsgegenstand

Der „Unwichtigkeitsschwanz“ in Statistik und Medien

Das Studium der Psychologie hält doch immer wieder Überraschendes für die Lernenden bereit. Heute zum Beispiel haben wir lernen dürfen, dass Menschen, deren erhobene Werte als zu niedrig erachtet werden, als dass sie in die Faktorenanalyse einflößen, auf dem Teil eines Polygons liegen, an dem die Kurve knickt und der dann als „Unwichtigkeitsschwanz“ bezeichnet wird. Das ist doch wirklich ziemlich lustig. Andererseits auch wenig schmeichelhaft. Stellen Sie sich mal vor, Sie landeten dort. Vor allem als Mann!

Dabei geht das bestimmt schneller, als man denkt. Man fantasiere nur, das ZDF gäbe eine Untersuchung zum Thema „Intelligenz und Charisma von Medien-Männern“ in Auftrag. Die beiden Konstrukte würden korreliert und lägen einer Faktorenanalyse zu Grunde. Da wird der Unwichtigkeitsschwanz ruck, zuck größer als es den Herren lieb sein kann. Was das für ein Gerangel gäbe! Helmut Markwordt und Johannes B. Kerner sehen sich die beiden Plätze eins und zwei besetzen, geraten aber in eine philosophisch-statistische Diskussion darüber, ob ihre Position nun der Anfang und/oder das Ende des Schwanzes ist. Das Moderationstalent Spengemann vom „Superstar“-Turnier hätte in der Enge gern ein wenig Ruhe, doch Heiner Bremer wird aus dem Hinterhalt permanent von einem aufstrebenden ZDF-Sportreporter gepiesackt. Jürgen Fliege hingegen mosert, weil er meint, mit der Christenheulsuse Peter Hahne verwechselt worden zu sein, Cherno Jobatey weint, weil er meint, einem Schätzfehler zum Opfer gefallen zu sein, und Alida Gundlach muss als Extremwert noch im Nachhinein die Erhebung verlassen. Nein, Teil eines Unwichtigkeitsschwanzes zu sein, ist nicht schön. Da will man nicht hin.

Unter diesen Umständen wird dann auch verständlich, dass Menschen alles tun, um dort nicht zu landen. Und während vielen Frauen an dieser Stelle nichts anderes übrig bleibt, als ihre Brüste rauszukramen, um wenigstens kurzzeitig an medialer Bedeutung zu gewinnen, gehen die Herren mittlerweile noch eine Etage tiefer.

Nun liegt die Krux darin, dass es in unserer Gesellschaft als nicht schicklich gilt, das Genital dekorativ abzulichten und auf Seite 1 abzudrucken. Folglich müssen sie es auf anderem Wege zum Gesprächsgegenstand machen. Etwa darüber, einen Penisprozess anzustreben oder über die detailierte Darstellung eines Nudelbruchs in Folge eines Sprungs vom Schrank, wie etwa bei Dieter Bohlen.

Nun ist das alles schon eine Weile her. Wunderbar, sollte man meinen, aus den Medien, aus dem Sinn. Denn Verlängerung oder Bruch sind nicht wirklich lecker und nur bedingt publikumstauglich. Doch die Bild-Macher Dieckmann und Bohlen mögen ihre Glieder nicht in der Hose lassen: Der eine geht in Revision, der andere in Talkshows.

Und da kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt der psychologischen Lehre: der Motivation. Und was lernen wir? Wir lernen, lieber den eigenen Penis in aller Munde, als Teil eines Unwichtigkeitsschwanzes zu sein.