Gehet und schaffet Andacht

Eine Veranstaltung mit Denkverboten: „Globalisierung für Anfänger“, der zweite Abend der Reihe „go create TM resistance“ vergangenen Freitag am Schauspielhaus

Mit politischen Themenabenden an Staatstheatern verhält es sich oft wie mit dem Buch Empire von Antonio Negri und Michael Hardt: Die Nachfrage ist riesig, aber am Ende sind eigentlich alle enttäuscht. Vergangenen Freitag am Schauspielhaus, beim „go create TM resistance“-Abend mit dem Titel „Globalisierung für Anfänger/Was wir vom Neoliberalismus lernen können“, waren schon kurz nach Beginn keine Karten mehr zu bekommen.

Matthias von Hartz, der die Reihe konzipiert hat, wollte eigentlich „volkshochschulhaft“ ein mit dem Thema nicht vertrautes Publikum an Globalisierungskritik heranführen. Gekommen war dann außerdem eine große Zahl von Szene-Aktiven. Die Chance, sich „niedrigschwellig“ zu informieren, bekamen Uneingeweihte am ehesten im Café Ellmenreich, wo politische Gruppen wie Attac, Jeder Mensch ist ein Experte oder Kanak Attak je einen „Stammtisch“ hatten, an dem Neugierige Antworten bekommen konnten.

Auch Tom Holert und Mark Terkessidis präsentierten projektionsgestützt in zwei handlichen 25-Minuten-Päckchen leicht Verständliches aus ihrem neuen Buch Entsichert – Krieg als Massenkultur im 21. Jahrhundert. Wie schon dort theoretisierten sie allerdings derart populärwissenschaftlich, dass das Verstehen umgehend Zweifel an der Analyse hervorrief.

Dass das vor zwei Jahren erschienene Empire im wörtlichen Sinn zur Bibel der Globalisierungskritiker geworden ist, machte eine Videoinstallation des Medienaktivisten Florian Schneider auf der Hinterbühne deutlich. Nicht wenige fühlten sich an ein Triptychon erinnert: Auf zwei von drei Leinwänden waren Hardt und Negri im Interview zu zentralen Begriffen des Buches zu sehen, auf einer dritten Globalisierungskritiker in Aktion. Verstärkt wurde das Sakrale der Anordnung noch dadurch, dass die Zuschauer mit Kopfhörern ausgestattet waren: der Ort in andächtige Stille gehüllt. Die zwei Portionen dieser Installation keilten noch zudem eine Performance von Kanak Attak zu Migration ungünstig ein, die – ihn benutzend – vor dem „heiligen Text“ keine Skrupel zeigte.

Dem Austragungsort lässt es sich nur bedingt vorwerfen, dass dies kein Feiertag der globalisierungskritischen Bewegung war, sondern trotz allen Gerennes und der abschließenden Party eher eine Andacht. Konzept und Beteiligte hätten sich einfach entschiedener gegen die Musealisierunggefahr wenden müssen, die von einem Theater ausgeht.

Christiane Müller-Lobeck