Archäologie des Ich

Nachwuchs nach vorn: Andreas Schäfer ist der neue Träger des Bremer Literatur-Förder-Preises

„Ich denke, dass alles, was ich berühre, unter meinen Händen vertrocknet“

Dieser Roman lüftet keine Geheimnisse. „Auf dem Weg nach Messara“ heißt der Debütroman von Andreas Schäfer, der heute den Nachwuchspreis des Bremer Literaturpreises erhält. Das Buch wirkt wie das spröde, unendliche Protokoll über ein einziges Geheimnis: Marko. Es ist die sprachlich präzise, distanzierte Bestandsaufnahme von rätselhafter Stille, Leere, Ödnis.

Die lässt für laut schreiende Verzweiflung keinen Platz. Vielmehr wird geduldig ertragen: „Geduld und für die Haut Nivea.“ Hellenischer Geist verknüpft mit deutscher Gründlichkeit. Das prägt sich ein.

Marko heißt der Ich-Erzähler in Andreas Schäfers Debütroman. Er ist einfach da. Wie das pompejische Stilleben auf dem Buchcover. Pfirsichzweig und Glaskrug, ein Fresko, unberührbar, stofflich, aber nicht fassbar, archäologisch analysiert. Trotzdem unbegreiflich, spaltend, weil Leben, Geschichte signalisierend, aber eigentlich nichts als tote Materie.

Trauer ist nicht zugelassen: So ist er, dieser junge Deutsch-Grieche Marko, der sich von Berlin aus auf den Weg nach Messara in Hellas Norden macht. Zur Beerdigung seines Großvaters, gleichzeitig zur Mutter, der „Königin aller Geheimnisse“, zu deren Familie, die nun mal auch seine Familie ist. Stoisch notiert Marko das Geheimnis ihrer und seiner Existenz. Er fragt nicht, er stellt fest. Fragmente und Erinnerungsfetzen überträgt er ins Jetzt. Zerrissenes will zusammen gefügt sein – die Suche nach Identität über andere.

Doch was passiert, wenn bisher Festgeformtes zerfließt, in Frage gestellt werden muss? „Die Dinge sind nicht so, sie sind anders, als die Leute behaupten“, sagte der Großvater, der nun begraben werden soll. Doch auch sein Geheimnis des Lebens schwebt noch über Messara, über den Häuptern jener Menschen, mit denen Marko nichts und doch alles verbindet. Der entfernt nach und nach in archäologischer Manier den Staub der Geschichte – vorsichtig, aber beharrlich: „... ich denke, dass alles, was ich berühre, unter meinen Händen vertrocknet und zerfällt.“ Ein Laut ist in die Stille gebrochen, kleine Geheimnisse offenbart und trotzdem noch indifferent, das Ganze. Marko bleibt, als Einziger: „Irgendwo schlug ein Fenster. Dann war es still.“ Ergriffenheit? Die lässt der Roman kaum zu. Vielleicht macht gerade das seinen Reiz aus. Daniela Barth

Andreas Schäfer: Auf dem Weg nach Messara, Fest, 187 Seiten, 17,90 Euro.