Schwierige Nachbarschaft

Rückschläge bei der Zusammenarbeit mit dem Umland. Achims Bürgermeister will sich einen Brief „nicht gefallen lassen“. Bremen mutmaßt, dass Achim in fremden (Gewerbe-)Revieren wildert

Rippich: „Bremen ist doch Manns genug, seine Betriebe zu halten.“

taz ■ „Dieses Schreiben ist vom Stil her das eines Vorgesetzten an einen Untergeordneten“, regt sich der Bürgermeister der Stadt Achim, Christoph Rippich auf. Er bezieht sich damit auf einen Brief aus dem Bremer Stadtplanungsamt, in dem die Pläne für ein Gewerbegebiet im Achimer Ortsteil Embsen kritisiert werden. Formal ist alles in Ordnung. Der Bremer Brief gehört zur so genannten „Anhörung der Träger öffentlicher Belange“ – Nachbargemeinden können in diesem Verfahren Stellung zu größeren Bauvorhaben nehmen. Die Bremer Stellungnahme aber hat es in sich.

Bremen bezweifelt darin den Gewerbeflächenbedarf der Stadt Achim in der vorgesehenen Größe von fast 80 Hektar und verdächtigt Achim, bremische Betriebe abwerben zu wollen. „Da in Achim (...) kein Gewerbeflächenbedarf in der hier aufgezeigten Größenordnung vorhanden sein dürfte“, so die entsprechende Passage, „zielt diese Ausweisung insbesondere auf externe Gewerbeansiedlungen, entsprechend der Wirtschafts- und Raumstruktur damit vorwiegend auf bremische Gewerbebetriebe.“ Raumstruktur, das meint vor allem, dass das geplante Gebiet nur einen Katzensprung entfernt ist vom Bremer Gewerbegebiet „Hansalinie“ im Osten der Stadt und vom geplanten Gebiet „Europalinie“ in der Mahndorfer/Arberger Marsch.

„Das sind alles nur Behauptungen ohne Grundlage“, hält Bürgermeister Rippich dagegen und: „Es wäre ja unsinnig, sich gegenseitig Betriebe abzuwerben“. Außerdem glaubt Rippich, sei „Bremen doch Manns genung, um die eigenen Betriebe zu halten mit den entsprechenden Förderinstrumenten“. Ein Gedanke aus dem Repertoire alten Konkurrenzdenkens. Denn im Sinne der gemeinsamen Regionalplanung geht es den Kommunen gerade darum, nicht mit Fördermitteln um sich zu werfen oder Gewerbeflächen zu Dumpingpreisen anzubieten – bloß damit der Nachbar nicht die Nase vorn hat.

„Wir arbeiten an einem Interkommunalen Raumstrukturkonzept (INTRA), damit innerhalb der Region kein Schwerpunkt mehr auf Konkurrenz liegt“, formuliert der Pressesprecher im Bauressort, Holger Bruns. Aber der Verweis auf INTRA ruft den Achimer Bürgermeister erst recht auf den Plan. „Das ist doch Zukunftsmusik, da ist noch kein Papier im Rat vorgelegt worden.“ Dennoch: Auch die Stadt Achim gehört zu den 37 Städten, Landkreisen und Gemeinden, die sich im Kommunalverbund zusammengeschlossen haben, um im Europa der Regionen gemeinsam und nicht geschwächt durch Kirchturmkonkurrenz auftreten zu können. Am Ende des INTRA-Prozesses, so will es die Theorie, soll eine verbindliche regionale Raumplanung stehen. Wie weit die Praxis davon noch entfernt ist, zeigt der Streit um den Brief.

„An anderen Stellen sind wir viel weiter“, kommentiert auch der Leiter des Kommunalverbundes Ulrich Kinder. Er verweist auf das IMAGE-Konzept, mit dem die Ansiedlung großflächigen Einzelhandels zwischen den Gemeinden verhandelt und moderiert wird und die negativen Auswirkungen auf Nachbargemeinden in Grenzen gehalten werden sollen. Zuletzt ist es dank dieses Konzeptes gelungen, einem Möbelriesen in Ganderkesee den Verkauf anderer Produkte zu untersagen, was die Cities von Delmenhorst und Ganderkesee selbst ausgeblutet hätte. Aber, so Kinder, der vom jüngsten Streit zwischen Bremen und Achim auch nur aus der Zeitung erfahren hat, „für Gewerbegebiete gibt es ein solches Verfahren leider noch nicht“.

hey