Neue globalisierte Musik

Der westliche Wille zum Fortschritt und der Wunsch nach Toleranz und Integration: Eine Tagung im Haus der Kulturen der Welt im Rahmen des „transonic“-Festivals

Die gegenseitige Befruchtung der Kulturen ist seit jeher eine Selbstverständlichkeit gewesen. Ostasiatische Komponisten studierten in Europa und schrieben daraufhin Musik, die vorsichtig durch die vermeintlich unvereinbaren Musikkulturen mäanderte. Westliche Komponisten hingegen übten sich im Zen-Buddhismus und eröffneten ihren Werken einen zweiten Horizont wie das Konzept einer kreisenden, nicht zielgerichteten Zeit. John Cage galt stets als Inbegriff dieses Kulturaustausches. Er importierte keine exotischen Klangvorstellungen, sondern adaptierte stattdessen eine Geisteshaltung des fernen Ostens und revolutionierte damit das Hören der Neuzeit. Niemand hat daran gezweifelt, dass diese Entwicklung nicht gut sei. Hier vereinte sich der westliche Wille zum Fortschritt mit dem Wunsch nach Toleranz und Integration.

Wenn das Festival „transonic“, das seit einigen Tagen im Haus der Kulturen der Welt stattfindet, sich heuer mit dem Schlagwort „Globalisierung“ schmückt, um daraufhin einige Musiker mit transkultureller Erfahrung einzuladen, ist man zunächst nicht geneigt, das als einen geglückten Profilierungsversuch zu verbuchen. Am Freitagabend nun machte das Festival die Probe aufs Exempel und bat Wissenschaftler und Musiker zu einer Konferenz zum Thema „Neue Musik und Globalisierung“, die mit zahlreichen Konzerteinlagen von Laptop-Virtuosen und Noise-Künstlern, mit Sinus-Tonskulpturen und traditioneller chinesischer Musik gespickt waren.

Zu den vorwiegend US-amerikanischen Referenten aus dem Umfeld des Kurators und Komponisten Gene Coleman gehörte auch der Kunsthistoriker Hamza Walker, der sogleich gegen die Attitüden der westlichen Musik ins Feld zog. Walker stellte eine Arbeit des Künstlers Rodney Graham vor, in der ein mechanisches Klavier durch Czernys berühmte „Schule der Geläufigkeit“ rattert. Aber anstatt wie der gehorsame Schüler von Lektion zu Lektion schneller zu werden, verlangsamt das Klavier das Tempo, um die Töne der letzten Etüden kaum mehr im Minutentakt anzuschlagen. Das ist eine amüsante Idee. Und es ist ein schwerer Schlag, denn es entlarvt die Unangemessenheit des Beschleunigungswahns, der unser Musikdenken prägt.

Nun ist die Musik, anders als die bildende Kunst, kein diskursives Medium; und sie erzeugt, darauf wies der Wiener Musikwissenschaftler Christian Utz hin, keine authentischen Objekte, sondern Prozesse und Kontexte, in denen Töne erklingen. Im Laufe der Konferenz wurde aber deutlich, dass bislang fahrlässig versäumt worden ist, einige zentrale Fragen an Ästhetik und Ethik des musikkulturellen Austausches zu stellen. Wie zum Beispiel reagiert die asiatische Tradition auf den Integrationsdrang der westlichen Moderne? Und aus welchem Antrieb heraus mag der Kulturimport erfolgen, wenn nicht aus dem eines von Wettbewerb und Fortschritt geprägten ökonomischen Systems?

Tatsächlich machten die asiatischen Teilnehmer – Musiker und Komponisten aus China, Japan und Indien – darauf aufmerksam, wie stark die Ablehnung gegenüber der neuen Musik des Westens unter asiatischen Musikern ist. Gewiss fielen die Fragen am Freitagabend unbeholfen aus. Und natürlich gerieten die Antworten bruchstückhaft. Aber die Selbstverständlichkeit, mit der man kulturelle Grenzüberschreitungen auf dem Weg zu einer universell verständlichen Musik bislang betrieb, geriet immerhin ins Wanken. Kunst, so das Fazit dieser Konferenz, kann sich im Zuge der Globalisierung nur als Gegenstrategie und Musik sich bestenfalls als ein „privates Esperanto“ (Walker) behaupten. BJÖRN GOTTSTEIN

Weitere Konzerte: 29. und 30. Januar