saufen & siegen
: Dosen bei Hertha

Ab in den Busch

Erst vor wenigen Tagen konnte die taz Schlampereien bei der Einführung des Dosenpfands in Berlin aufdecken. Weiter gehende Recherchen im Umfeld des sonnabendlichen Fußball-Hochamts Hertha-BVB ergaben: Auch rund um das Olympiastadion wird das Reglement bewusst unterlaufen, sogar verhöhnt. Es scheint: Fußballfans ist egal, aus welchem Gefäß das Bier kommt. Hauptsache, es kommt.

Schon der Kiosk am U-Bahnhof Olympiastadion wirbt: „Alle Getränkedosen ohne Pfand!!!“. Tatsächlich mit drei Ausrufezeichen. Das Angebot wird angenommen, Fans beider Teams gruppieren sich so spontan wie harmonisch um das Häuschen, den pfandfreien Dosenhalbliter Schultheiss fest im Griff.

Einige Meter weiter Ähnliches: Ein fliegender Händler bietet „Schultheisskindl – Kindlschultheiss“ und vor allem Hasseröder für einen Euro an – nur scheinbar inklusive Pfand. Sein eigenes Mehrwegsystem erläutert er mit Freude wie folgt: „Also so: Dose gibste zurück, und ich geb sie da ab.“ „Da“ heißt: bei dem Busch hinter ihm.

Im Stadion selbst herrscht indes totales Alkohol- und sowieso Dosenverbot. Nicht unbedingt zur Freude der Fanclubs „Bierussia“ und „Promille Bären“ und den Trägern von Fanschals mit der Parole „Singen, Saufen, Siegen“. Und auch nicht zu der anderer, die um ihr Samstagsvergnügen bangen. Ahnen sie doch vor der Begegnung zu Recht: „Wir müssen uns das Spiel schön saufen.“ Statt Dosen und Alkohol gab es hier dafür schon lange vor dem Dosenpfand ein eigenes Pfandsystem für genehmigte Getränke wie den Drittelliter kalten Kaffee: zwei Euro plus ein Euro Pfand für den stapelbaren Mehrwegbecher.

Aber auch vor dem Stadion herrscht nicht nur Chaos. Die Vorplatzkneipe „Schultheiss am Olympiastadion“ verkauft Dosenbier nur mit Pfand – „auf Grund der geltenden Verpackungsverordnung“, wie ein Infoblatt versichert. Sorgfältig gestempelte Rechnungszettel fungieren als Pfandbon.

Allein, der Kundschaft fehlt es noch an Vertrauen in das System. Auch wenn er sich mit der einen Hand mühsam an der Theke festklammern und mit der anderen zwei noch volle – pfandfreie – Wodkafläschchen balancieren muss, weiß ein bomberjackenbewehrter Jungherthaner schon um das künftige Schicksal von Bons und Dosen: „Schmeißense doch eh allet wesch!“

FABIAN GRABOWSKY

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